Verfahrensgang

OVG Berlin (Beschluss vom 16.05.2002; Aktenzeichen 124 A/01)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, mit der ein Berufungsurteil des Landgerichts Berlin teilweise aufgehoben und die Sache insoweit an das Landgericht zurückverwiesen worden ist.

1. Die Beschwerdeführerin erstritt als Berufungsklägerin vor dem Landgericht gegen zwei ihrer Wohnungsmieter und deren Untermieterin ein Räumungsurteil. Hiergegen legten die Beklagten beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin Verfassungsbeschwerde ein. Diese hatte, soweit die Mieter betroffen waren, Erfolg. Sie führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG). Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat auf Grund fehlender Zulässigkeit keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Beschwerdeführerin ist allerdings zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde befugt.

Die Parteifähigkeit einer nicht rechtsfähigen Personengruppe und damit auch einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts hängt davon ab, ob sie als solche nach Art. 19 Abs. 3 GG Trägerin eines Grundrechts sein kann (vgl. BVerfGE 3, 383 ≪392≫; 6, 273 ≪277≫; 20, 283 ≪290≫; 24, 236 ≪243≫). Für den hier vorrangig zu prüfenden Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht daher die Parteifähigkeit der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft anerkannt (vgl. BVerfGE 4, 7 ≪12, 17≫; vgl. auch § 124 Abs. 1 HGB). Das lässt sich auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts übertragen. Diese ist, da sie als Gesamthandsgemeinschaft gemäß § 718 Abs. 1 BGB Rechtspositionen wie namentlich das Eigentumsrecht einnehmen kann, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 116, 86 ≪88≫; 136, 254 ≪257≫; 146, 341 ≪343≫) insoweit rechtsfähig. Dementsprechend steht ihr wie den Personenhandelsgesellschaften das Grundrecht auf Eigentum zu. Dies zieht die Befugnis zur Geltendmachung des Grundrechts im Verfahren der Verfassungsbeschwerde nach sich. Gleiches gilt für die Verfahrensgrundrechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG, die der Beschwerdeführerin auf Grund ihrer nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zivilprozess gegebenen Parteifähigkeit ebenfalls zustehen (vgl. BVerfGE 3, 359; BGHZ 146, 341 ≪347 ff.≫).

b) Einer Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht indes der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Zwar ist gegen die angegriffene Entscheidung ein Rechtsmittel nicht statthaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert indes der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende allgemeine Grundsatz der Subsidiarität, dass der Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen (vgl. BVerfGE 78, 58 ≪68≫; 79, 275 ≪278 f.≫; 86, 15 ≪22 f.≫). Die Beschwerdeführerin ist hiernach verpflichtet, ihre Rechte zunächst im Rechtsstreit vor dem Landgericht zu verfolgen.

Da der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, soweit die beklagten Mieter betroffen sind, das Berufungsurteil umfassend aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen hat, begründet seine Entscheidung keine Beschwer, die nur noch auf dem Wege der Verfassungsbeschwerde beseitigt werden könnte. Vielmehr besteht die Möglichkeit, dass auf Grund der vom Landgericht vorzunehmenden erneuten Überprüfung des Falles ein Ergebnis erzielt wird, bei dem die mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverstöße nicht mehr gegeben sind. Auch haben die Parteien eines Zivilrechtsstreits Gelegenheit zum Abschluss eines Vergleichs. Auf die angeblich verfassungswidrigen Feststellungen des Verfassungsgerichtshofs käme es dann nicht mehr an.

Für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ist unter anderem von Bedeutung, wie intensiv sich die gerügte Grundrechtsverletzung auswirkt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫). Klarheit hierüber besteht erst nach Abschluss des Rechtsstreits. Anhaltspunkte dafür, dass die Ausschöpfung der im erneut durchzuführenden Berufungsverfahren gegebenen Möglichkeiten der Beschwerdeführerin unzumutbar wäre, sind nicht vorgetragen worden.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Steiner, Hoffmann-Riem

 

Fundstellen

Haufe-Index 845662

DStZ 2003, 52

NJW 2002, 3533

NWB 2002, 4232

NVwZ 2003, 600

NZG 2002, 1104

NZM 2002, 986

StuB 2003, 287

ZAP 2002, 1332

ZIP 2002, 2214

DVP 2006, 169

JZ 2003, 43

JuS 2003, 191

WuM 2003, 20

DVBl. 2003, 130

IWR 2003, 67

KammerForum 2003, 64

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