Rn 4

Die einzelnen Restitutionsgründe greifen verschiedenartige Erschütterungen der Urteilsgrundlagen auf: Nr 1–5 die strafbare Verfälschung der Urteilsgrundlagen, Nr 6 und 8 deren späteren Wegfall und Nr 7 deren nunmehr mögliche Vervollständigung (vgl R/S/G § 161 Rz 12).

Einen weiteren Restitutionsgrund nennt § 185 FamFG. Zur Zulässigkeit, Begründetheit und Verfassungsmäßigkeit dieses Restitutionsgrundes s BGH NJW 03, 3708; Stößer FamRZ 09, 923, 930.

1. Nr 1, Strafbare Falschaussage des Gegners.

 

Rn 5

Es geht dabei um unrichtige nach § 452 beeidigte oder nach § 484 bekräftigte Parteiaussagen des Gegners des Restitutionsklägers iRd Parteivernehmung nach §§ 445 ff. Erfasst sind der Meineid nach § 154 StGB und die falsche eidesgleiche Bekräftigung nach § 155 StGB sowie deren fahrlässige Begehung nach § 161 StGB. Nicht erfasst sind aber falsche Versicherungen an Eides statt nach § 156 StGB sowie unrichtiger Parteivortrag. Beides kann jedoch einen Restitutionsgrund nach Nr 4 darstellen.

Das Urt im Vorprozess muss auf der falschen eidlichen Aussage beruhen. Dafür genügt es, dass die Kausalität des Restitutionsgrundes für das Urt nicht ausgeschlossen werden kann. Dies ist schon der Fall, wenn die Aussage zwar nur in einem für die Entscheidung nicht wesentlichen Punkt unrichtig ist, das Urt aber auf der gesamten Aussage beruht, da dies das Vertrauen in deren Wahrheitsgehalt allgemein erschüttert (R/S/G § 161 Rz 14, 16). Unrichtige Teile der Aussage oder Unrichtigkeit in Nebenpunkten genügen also (Musielak/Voit/Musielak § 580 Rz 8). Nicht notwendig für die Kausalität ist zudem, dass der Eid im wiederaufzunehmenden Verfahren vorgenommen wurde; auch ein anderes, insb ein präjudizielles Verfahren, kommt in Betracht.

Die Restitutionsklage findet im Fall der Nr 1 nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist, oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann, § 581 I. Vom Erfordernis der strafgerichtlichen Verurteilung kann auch nicht abgesehen werden (BGHZ 85, 32; NJW-RR 06, 1573; aA Hamm FamRZ 17, 1127; Braun, Rechtskraft und Restitution, Teil 2, [85], S 120–132; MüKoZPO/Braun/Heiß § 581 Rz 11–14; wohl auch Borck WRP 99, 478). Restitutionsgrund ist aber die Straftat, die Verurteilung ist nach hM (nur) Zulässigkeitsvoraussetzung. Der Inhalt des Strafurteils ist nicht bindend im Restitutionsprozess (Rn 3), so dass zum einen – für die Zulässigkeit – die Tatsache der Verurteilung erheblich ist, zum anderen – für die Begründetheit – die Straftat vorliegen muss, was der mit dem Restitutionsprozess befasste Richter selbstständig zu prüfen hat, vgl § 14 II Nr 1 EGZPO aF. Inwieweit das Strafurteil dadurch ersetzt werden kann, dass aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis ein Strafverfahren nicht eingeleitet oder durchgeführt werden kann s § 581 Rn 3.

2. Nr 2, Urkundenfälschung.

 

Rn 6

Erfasst sind Urkundenfälschung und -unterdrückung und (mittelbare) Falschbeurkundung seitens Privatpersonen oder im Amt iSv §§ 267, 271, 274 oder 348 StGB. Es geht nicht um die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde, sondern allein um die Gefälschtheit. Diese ist der für die Zulässigkeit schlüssig vorzutragende und iRd Begründetheit festzustellende Restitutionsgrund. Nicht notwendig ist, dass die vorlegende Partei die Fälschung vorgenommen hat oder von ihr wusste. Inhaltlich kann die Urkunde lediglich im wieder aufgenommenen Prozess gewürdigt werden. Da an den Urkundenbegriff des Strafrechts (§§ 267 ff StGB) angeknüpft wird, sind einfache Abschriften (Kopien) keine Urkunden im Sinne dieser Norm (BVerwG v 4.8.16 – 8 B 24/15).

Die Kausalität kann bereits dann vorliegen, wenn die Urkunde iRe mittelbaren Beweises (Indizienbeweis bzw Hilfstatsachen des Beweises) Bedeutung erlangt hat oder lediglich Teile der Urkunde verfälscht sind (Musielak/Voit/Musielak § 580 Rz 7 mwN).

Die Restitutionsklage findet auch im Falle der Nr 2 nur unter der Einschränkung des § 581 I statt (s Rn 5).

3. Nr 3, Strafbare Falschaussagen von Zeugen und Sachverständigen.

 

Rn 7

Erfasst sind unrichtige Zeugenaussagen und Verletzungen der Wahrheitspflicht durch einen Sachverständigen oder einen Dolmetscher (§ 189 GVG), deren Strafbarkeit §§ 153162 StGB bestimmen. Daraus folgt, dass es – anders als bei Nr 1 – keine Rolle spielt, wenn der vorsätzlich Handelnde unbeeidigt blieb (§ 153 StGB) und dass auch die falsche Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) erfasst ist. Im Falle von Fahrlässigkeit kommt aber die unbeeidigt gebliebene Aussage nicht als Restitutionsgrund in Betracht (§ 161 StGB). Ebenso wie bei Nr 1 (s Rn 5) genügt es, wenn die Aussage in einem auch nur unwesentlichen Punkt unrichtig ist und wenn sie in einem anderen Verfahren als dem Vorprozess getätigt wurde (Hamm OLGR 99, 193; RGZ 143, 47). § 580 Nr 3 ist von § 580 Nr 4 durch den betroffenen Personenkreis abgrenzbar: Während es bei Nr 3 um Zeugen, Dolmetscher und Sachverständige geht, greift Nr 4 ein, wenn es um Straftaten des Prozessgegners, dessen Prozessvertreters oder des eigenen Prozessvertreters der Partei geht.

Die Kausalität liegt vor, wenn...

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