Gesetzestext

 

(1) Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) 1Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch. 2Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(3) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig, so entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit im Zwischenverfahren über die Ablehnung. Sie wird dadurch, dass immer das Gericht entscheidet, welchem der abgelehnte Richter angehört, dem Beschleunigungsgrundsatz gerecht. Außerdem ist aus ihr das Verbot der Selbstentscheidung zu folgern, welches sich grds schon aus § 41 Nr 1 ergibt. Hiervon sieht die Norm selbst lediglich durch Abs 2 S 2 eine Ausnahme vor. Die hM gestattet ferner eine Mitwirkung des Abgelehnten bei unzulässigen oder gar rechtsmissbräuchlichen Gesuchen (BVerfG NJW 13, 3360; v 16.8.11 – 2 BvR 287/10 – Rz 12 ff – juris; Zö/Vollkommer § 42 Rz 6 mwN; zu taktischen Ablehnungsgesuchen: Windau NJW 18, 3206). Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Das Gesetz bietet keine Stütze. Eine Analogie zu § 26a II StPO verbietet sich wegen des Ausnahmecharakters dieser Norm. Hinzu tritt, dass der Gesetzgeber – anders als bei § 27 III 1 StPO – in Kenntnis der unterschiedlichen Regelungen für eine Anpassung, so wünschenswert sie zur Vermeidung von gewollten Verzögerungen sein mag, bislang keine Veranlassung zu einer Entsprechung in der ZPO gesehen hat. Wenn ein Abgelehnter mitwirkt, sollte dieses lediglich auf Ausnahmefälle, in denen der Rechtsmissbrauch offensichtlich ist, beschränkt werden (BVerfG Beschl v 11.3.13 – 1 BvR 2853/11 – Rz 22 f; VerfGH Sachsen Beschl v 4.11.10, 83-IV-10 Rz 16; BGH Beschl v 8.7.09 – 1 StR 289/99 – LS; BGH Beschl v 22.10.09 – I ZB 85/08 – Rz 3 – jew juris; MüKoZPO/Stackmann § 44 Rz 2). Anzunehmen ist dieses bei Globalablehnungen ohne nachvollziehbare Gründe (BGH Beschl v 15.8.13 – I ZA 2/13 – Rz 3, juris; NJW-RR 12, 61 [BGH 12.10.2011 - V ZR 8/10]; s.a. § 46 Rn 4), die indes, da der Adressat fehlt, nicht einmal als entscheidungsbedürftiges Gesuch zu werten sind (BVerfGE 72, 59 [BVerfG 26.02.1986 - 1 BvL 12/85]; BayVerfGH MDR 00, 659). Das Gleiche gilt für wiederholte, rechtsmissbräuchliche (Frankf NJW 09, 1007 [OLG Köln 26.08.2008 - 4 UF 38/08]; Köln Beschl v 24.5.18 – 17 U 3/17, juris) oder rein querulatorische Anträge. In diesen Fällen kann von einer Entscheidung überhaupt abgesehen werden (BVerfGE 11, 5 [BVerfG 22.02.1960 - 2 BvR 36/60] = MDR 61, 26). Eine Entscheidung unter Mitwirkung des Abgelehnten darf nie erfolgen, wenn auf den Gegenstand des Verfahrens einzugehen oder das richterliche Verhalten sachlich zu bewerten ist (BGH Beschl v 12.6.12 – IV ZA 11/12 – Rz 4 – juris). Deshalb ist eine Verwerfung ›als offensichtlich unbegründet‹ in jedem Fall fehlerhaft (BVerfG NJW 07, 3771 [BVerfG 20.07.2007 - 1 BvR 2228/06]; NJW 05, 3410, 3412 [BVerfG 02.06.2005 - 2 BvR 625/01]; a.A. BGH Beschl v 20.4.11 – I ZB 41/09 – Rz 3 – juris). Streitig ist, ob ein abgelehnter Richter nach der ohne seine Mitwirkung erfolgten Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs in einem hierauf bezogenen Anhörungsrügeverfahren mitwirken darf (vgl BVerfG Beschl v 24.10.11 – 1 BvR 1848–2162/11 – Rz 8 –; BGH Beschl v 19.8.13 – III ZB 37/13 – Rz 2 f – juris).

B. Entscheidung.

I. Kollegialgericht.

 

Rn 2

Über die Ablehnung eines Richters, der bei einem Gericht tätig ist, bei dem zwingend Spruchkörper zu bilden sind, entscheidet der Spruchkörper (allgM) (Wieczorek/Schütze/Niemann § 45 Rz 2). Das gilt auch für den Einzelrichter (BGH NJW 06, 2492 [BGH 06.04.2006 - V ZB 194/05]) und für den Vorsitzenden einer KfH (BayObLG MDR 80, 237 [LG Kassel 22.10.1979 - 6 T 288/79]; Celle OLGR 09, 392). Der Abgelehnte darf nicht mitwirken (nach hM jedoch bei unzulässigen Gesuchen, s. Rn 1). An seine Stelle tritt der gem § 21e oder § 21g bestellte Vertreter. Ist die Vertreterkette erschöpft, entscheidet gem Abs 3 das im Rechtszug funktional zuständige höhere Gericht (MüKoZPO/Stackmann § 45 Rz 5).

II. Beim Richter am Amtsgericht.

1. Allgemeine Zuständigkeit.

 

Rn 3

Diese Vorschrift ist zur Verfahrensbeschleunigung dem § 27 III 1 StPO nachgebildet (Zö/Vollkommer § 45 Rz 5). Betroffen ist jeder beim Amtsgericht tätige Richter, unabhängig von seiner Funktion. Mit Ausnahme der eigenen Stattgabe durch den Abgelehnten (S 2) ist die Sache dem zur Entscheidung durch den Geschäftsverteilungsplan des Gerichts berufenen ›anderen Richter‹ vorzulegen. Eine spezielle Regelung einschl der eines Vertreters sollte jeder Geschäftsverteilungsplan enthalten, damit vermieden wird, dass der Vertreter des Abgelehnten entscheidet (Zö/Vollkommer § 45 Rz 5), wenngleich sich dieses nicht verhindern lässt, wenn der Richter abgelehnt wird, den der für die Entscheidung über die Ablehnung zuständige Richter ansonsten vertritt. Auch hier entscheidet gem Abs 3 das im Rechtszug höhere Gericht nur, wenn sämtliche Richter des Ge...

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