Rn 6

Eine Partei verliert ihr Ablehnungsrecht nur, wenn sie in Kenntnis des Grundes dieses nicht rechtzeitig geltend macht. Ein Verlust des Ablehnungsrechts tritt nicht dadurch ein, dass sich eine Partei nach Ablehnung des Richters wg Besorgnis der Befangenheit auf die weitere Verhandlung einlässt (BGH NJW-RR 16, 887 [BGH 26.04.2016 - VIII ZB 47/15]). Entsteht der Ablehnungsgrund außerhalb der mündlichen Verhandlung, muss er alsbald nach Kenntniserlangung geltend gemacht werden, wenn das Ablehnungsrecht nicht verloren gehen soll (LSG Berlin-Brandenburg Beschl v 19.1.09 – L 1 SF 220/08 – Rz 14 – juris). Tritt er in der mündlichen Verhandlung zutage, muss das Ablehnungsgesuch bis zu deren Schluss angebracht werden (Saarbr Beschl v 6.6.18 – 5 W 36/18, juris). Es muss sich aber aus dem Sitzungsprotokoll ergeben, dass nach der Kenntniserlangung ein Antrag gestellt oder weiterverhandelt wurde (München Beschl v 14.6.10 – 1 W 1482/10 Rz 3 – juris). Endet die Verhandlung, nachdem der Befangenheitsgrund bekannt geworden ist, verliert die Partei das Ablehnungsrecht nicht, weil sie eben nicht weiterverhandelt hat (Hamm Beschl v 11.7.11 – I 32 W 11/11 – Rz 11 – juris). Will der Prozessbevollmächtigte einer Partei zunächst mit dieser Rücksprache halten, muss er eine Unterbrechung beantragen. Gelingt es nicht, diese zu erreichen, so geht dies zu Lasten der Partei (BGH NJW-RR 08, 800 [BGH 05.02.2008 - VIII ZB 56/07]). Stellt die Partei einen Ablehnungsantrag, kann es ihr nicht schaden, wenn sie bei Verstoß gg die Wartepflicht nach § 47 I oder bei Fortsetzung des Termins gem Abs 2 danach verhandelt oder Sachanträge stellt (Musielak/Voit/Heinrich § 43 Rz 4; Wieczorek/Schütze/Niemann § 43 Rz 4; Zö/Vollkommer § 43 Rz 6; aA LG Kleve Beschl v 22.7.15 – 4 T 168/15, juris).

Der Verlust des Ablehnungsrechts kann verfahrensübergreifend erfolgen. Hat eine Partei ihr Recht, einen Richter wg der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, durch Einlassen in eine Verhandlung oder durch das Stellen von Anträgen verloren, kann sie denselben Ablehnungsgrund auch in einem anderen Verfahren nicht mehr geltend machen, wenn zwischen beiden Verfahren ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht (BGH NJW 06, 2776; Karlsr MDR 22, 977 [OLG Karlsruhe 16.02.2022 - 14 U 142/21]).

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