Leitsatz (amtlich)

1. § 43 ZPO begründet als gegenüber § 295 ZPO speziellerer Heilungstatbestand eine Zeitschranke für ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit. Die unterlassene Geltendmachung des Ablehnungsgrundes führt nach § 43 ZPO zum Verlust des Ablehnungsrechts und damit zur Unbegründetheit eines später gleichwohl gestellten Befangenheitsantrags.

2. Die Heilungswirkung des § 43 ZPO greift verfahrensübergreifend auch auf ein nachfolgendes Verfahren ein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zwischen beiden Verfahren ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht. Dem Wortlaut des § 43 ZPO lässt sich nicht entnehmen, dass die Partei nur in demjenigen Verfahren mit der Geltendmachung des Ablehnungsgrundes ausgeschlossen ist, in welchem sie ihr Ablehnungsrecht erstmalig ausüben konnte. Der Normzweck des § 43 ZPO besteht darin, eine an der Unparteilichkeit des Richters zweifelnde Partei dazu anzuhalten, ihre Zweifel alsbald in der gebotenen Form vorzubringen, um im Interesse der Rechtssicherheit und Prozessökonomie prozesstaktischen Manipulationen auszuschließen.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 5 O 423/20)

 

Tenor

Das Gesuch des Klägers vom 16.08.2021 auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht A, des Richters am Oberlandesgericht B und der Richterin am Oberlandesgericht C wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.06.2021 Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 17.05.2021 eingelegt, durch welches seine Klage auf Rückzahlung einer Auszahlung von einem Nachlasskonto, die der Beklagte mit Kontovollmacht getätigt hat, abgewiesen wurde.

Mit weiterem Schriftsatz vom 16.08.2021 hat der Kläger seine Berufung begründet und dabei den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht A, den Richter am Oberlandesgericht B und die Richterin am Oberlandesgericht C wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Zur Begründung gab der Kläger an, die abgelehnten Richter hätten in einem Termin vom 04.08.2020 in einem anderweitigen Verfahren mit dem Aktenzeichen 14 U 121/19 mehrfach die mündlichen Ausführungen des Klägers in diesem Termin abgetan und herablassend als Äußerungen bezeichnet, die derart falsch und neben der Sache lägen, weil es bereits ein Jurastudent im 3. Semester besser wissen würde, nämlich "besser" so, wie es der mit der hiesigen Berufung angefochtenen Auffassung des Landgerichts, die voll der Auffassung des Oberlandesgerichts gefolgt sei, entsprach. Die abgelehnten Richter hätten sich damit herablassend gegenüber dem Kläger geäußert und dessen vorgetragene Auffassung verächtlich verwerfend abgetan.

Zum Beweis hierfür wurden die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter, das Sitzungsprotokoll vom 04.08.2019, die Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers sowie eine Bestätigung des Klägers selbst angeführt.

Am 23.08.2021 äußerte sich Richterin am Oberlandesgericht C wie folgt:

Dienstliche Äußerung gemäß § 44 Abs. 3 ZPO zu dem Ablehnungsgesuch des Klägers vom 16.08.2021:

Die Behauptung, auf die das Ablehnungsgesuch gestützt wird, trifft nicht zu.

Ich habe mich in der mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit 14 U 121/19 in keiner Weise zu dem Wissensstand eines Jurastudenten im 3. Semester geäußert. Ich habe nicht gesagt, dass ein Jurastudent im 3. Semester es besser wüsste als der Kläger.

Am 24.08.2021 äußerte sich Richter am Oberlandesgericht B wie folgt:

Dienstliche Äußerung zu dem Ablehnungsgesuch des Klägers vom 16.08.2021:

Ich erinnere mich an das Verfahren und die mündliche Verhandlung vom 04.08.2020.

Die Äußerung, die sich auf das dritte Jurasemester bezog, erfolgte meinerseits, ich bin mir hingegen sicher, dass die Berichterstatterin oder der Vorsitzende sich diese Formulierung nicht zu eigen gemacht haben. Sie bezog sich im Übrigen eindeutig nicht auf die komplexe erbrechtliche Sach- und Rechtslage oder die Regelung des § 2041 BGB, sondern allein auf die zu diesem Zeitpunkt der Verhandlung erörterte Problematik, dass durch die Zahlungen, deren Unterlassung begehrt wurde, die Ansprüche des Klägers nicht im Sinne einer Erfüllungswirkung untergehen konnten. Zu dieser Rechtsfrage ist im Senatsurteil folgendes aufgeführt:

"Durch solche Zahlungen werden die 'Miterbenrechte des Klägers' (LGU 4) nicht verletzt, weil die Pflicht bestehen bleibt, an alle Erben gemeinschaftlich zu zahlen. Ein Gläubiger hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass sein Schuldner nicht an einen Dritten leistet, an den er nicht mit befreiender Wirkung leisten kann. Denn durch eine solche Leistung erleidet der Gläubiger keinen rechtlichen Nachteil."

Als der Kläger diesen, von der Berichterstatterin nachdrücklich dargelegten rechtlichen Gesichtspunkt wiederholt als falsch bezeichnete, fiel meinerseits die beanstandete Äußerung. Es war nicht meine Absicht, den Kläger zu beleidigen und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass der Kläger diese Bemerkung so empfunden hat.

Es trifft daher nicht zu, dass die Äußerung bezüglich etwas, was ein Jurastudent im...

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