Rn 18

Gegen einen instanzabschließenden und rechtskräftig gewordenen Beschl ist keine Gegenvorstellung, sondern nur die Gehörsrüge zulässig (BGH NJW 20, 3377, 3378 [BGH 30.04.2020 - I ZB 61/19], Stuttg OLGR 08, 421). Das gilt aber nur soweit, wie der geltend gemachte Verstoß zulässigerweise mit § 321a gerügt werden kann (Rn 6). Bei anderen Verfahrensverstößen als einer Gehörsverletzung (Rn 6) bleibt eine Gegenvorstellung denkbar (BFH NJW 06, 861; BGH NJW-RR 13, 256 mit instr Anm Baumert EWiR 13, 191; vgl jetzt BVerfG NJW 09, 829, 830 Rz 31, 34; eng aber BVerfG NJW 07, 2538 mit Anm Sangmeister); das ist durchaus konsequent, wenn man § 321a auf Gehörsverletzungen beschränken will (dazu krit oben Rn 9). Das BVerfG meint zwar, es verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rspr außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (BVerfGE 107, 395, 416 = NJW 03, 1924 [BVerfG 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02]; 07, 2538, 2539 [BVerfG 16.01.2007 - 1 BvR 2803/06]). Die Entscheidung betraf aber nur die ›außerordentliche Beschwerde‹ (gegen deren Zulässigkeit auch BGH NJW-RR 11, 640), nicht eine formlose Gegenvorstellung.

Der BGH will offenbar die Form- und Fristerfordernisse der Gegenvorstellung dem § 321a II entnehmen (BGH NJW-RR 07, 1654 Rz 6 zur Zulassung der Beschwerde auf Gegenvorstellung; Dresd NJW 06, 851; Frankf FamRZ 06, 964; Rostock MDR 09, 49; Frankf 13.3.09, 3 W 39/07, OLGR 09, 617; aA BFH NJW 06, 861), wobei bisher nicht geklärt ist, ob dies auch eine Gegenvorstellung ggü Urteilen einschließen soll (so wohl BGH NJW-RR 13, 256; NJW 11, 1516; Baumert EWiR 13, 191; abl mit guten Gründen St/J/Althammer Rz 78).

Gerade mangels einer Gegenvorstellung gegen Urteile dürfte die Gegenvorstellung unter Geltung der Verfahrensregeln analog § 321a keinen vollwertigen Ersatz für eine generelle Einbeziehung von Verletzungen anderer Verfahrensfehler in den § 321a darstellen. Man muss die Effektivität der durch die Gegenvorstellung gewährten Selbstkontrolle zwar nicht von vornherein in Abrede stellen, wenn auch die Gefahr von Fehlanreizen nicht zu leugnen ist (Rn 1; differenziert mit Recht auch Zö/Feskorn Rz 4). Wegen anderer Grundrechtsverstöße als solcher gegen Art 103 I GG bleibt dann nur, aber immerhin die Verfassungsbeschwerde (BGH BGHReport 04, 475 [BGH 10.12.2003 - IV ZB 35/03]; zu den problematischen Wechselwirkungen Rieble/Vielmeier JZ 11, 923, 927); wer keine Gehörsverletzung rügen will, sondern andere Grundrechtsverletzungen, darf nicht zur vorherigen Anhörungsrüge gezwungen sein (Rieble/Vielmeier aaO; anders offenbar BVerfG NJW 05, 3059 [BVerfG 25.04.2005 - 1 BvR 644/05] mit Anm Desens NJW 06, 1243); andernfalls wäre es auch inkonsequent, in § 321a nur einen Mindestschutz zu sehen.

Ob neben der von der hM bejahten Gegenvorstellung noch Raum für eine außerordentliche Beschwerde zum iudex ad quem ist, wie sie bei greifbarer Gesetzeswidrigkeit bejaht wurde (§ 567 Rn 5), ist vom BVerfG verneint worden und wird auch vom BGH abgelehnt (BGHZ 150, 133, 135; BAG NJW 05, 3231, 3232; BVerwG NJW 02, 2657; NJW 05, 771, LS = NVwZ 05, 232; BFH NJW 06, 861). Das gilt auch für Verfahren der fG (München ZIP 09, 2316 Ls; vgl jetzt § 44 FamFG).

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