Gesetzestext

 

Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

A. Normgegenstand.

 

Rn 1

§ 32 begründet einen besonderen Gerichtsstand für unerlaubte Handlungen am Ort, an dem die unerlaubte Handlung begangen ist (sog Begehungs-/Tatort; Rn 13). Sinn und Zweck dieser Zuständigkeitsregelung ist es, die Streitsache dort zu behandeln, wo die sachliche Aufklärung und Beweiserhebung idR am besten, sachlichsten und mit den geringsten Kosten erfolgen kann (BGH NJW 77, 1590 [BGH 03.05.1977 - VI ZR 24/75]; NJW 11, 2059, 2060 [BGH 29.03.2011 - VI ZR 111/10] – www.womanineurope.com; vgl auch München NJW-RR 93, 701, 703 [OLG München 21.01.1992 - 25 U 2987/91]). Deshalb ist auch eine spätere Abtretung für die Begründung des besonderen Gerichtsstands nach § 32 ohne Bedeutung (vgl BGH WuW 19, 477 – Zuckerkartell; GRUR 19, 213).

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

§ 32 schafft einen besonderen Gerichtsstand, der nach allg Grundsätzen (vgl § 12 Rn 8) wahlweise neben den allg und anderen besonderen Gerichtsständen (zB § 20 StVG, § 56 LuftVG, § 14 HaftpflG, § 6 II ÖlschadenG, § 94a AMG) in Anspruch genommen und nur durch ausschließliche Gerichtsstände verdrängt werden kann (zB § 32b, § 6 UKlaG, § 104a UrhG; § 14 UWG, § 13a VII VerkaufsprospektG iVm § 32b, § 17 WahrnG; zu weiteren ausschließlichen Gerichtsständen s § 12 Rn 5). Zur Zuständigkeit in Wild- und Jagdschadenssachen s § 35 BJagdG iVm den Landesvorschriften (für Baden-Württemberg vgl auch Karlsr OLGR 04, 311 f, dort auch zur Frage, ob Ansprüche auf Wildschadensersatz überhaupt unter § 32 fallen). Zu Einschränkungen des Anwendungsbereichs s Rn 15.

I. Unerlaubte Handlung.

 

Rn 3

Der Begriff der unerlaubten Handlung iSd § 32 ist nicht auf die Tatbestände der §§ 823 ff BGB beschränkt, sondern hat eine umfassendere Bedeutung (BGH NJW 56, 911; BGHZ 189, 320; vgl auch BGH NJW 74, 410, 411; KGR 00, 181f). So erfasst er auch solche Handlungen, die durch ein gesetzliches Verbot als unerlaubt gekennzeichnet werden und deren zivilrechtliche Folgen im Gesetz in gleicher Weise wie die der unerlaubten Handlungen der §§ 823 ff BGB geregelt worden sind (BGH NJW 56, 911; BGHZ 189, 320: ›rechtswidrige Eingriffe in eine fremde Rechtssphäre‹). Entscheidend ist die Abgrenzung zur gesamten vertraglichen Haftung (vgl BGH NJW 74, 410, 411 [BGH 06.11.1973 - VI ZR 199/71]; Köln 25.10.07, 18 U 164/06; Musielak/Voit/Heinrich Rz 2). Der Eintritt eines Schadens oder die Gefahr des Schadenseintritts ist nicht begriffsnotwendig (BGH NJW 56, 911, 912 [BGH 20.03.1956 - I ZR 162/55]). Im Einzelnen gilt § 32 insb für:

1. §§ 823 ff BGB.

 

Rn 4

Sämtliche Tatbestände der §§ 823 ff BGB fallen unter § 32 (allgM; BGH NJW 56, 911; BGHZ 189, 320; Zö/Schultzky Rz 5; Musielak/Voit/Heinrich Rz 2; ThoPu/Hüßtege Rz 1), also auch Verletzungen des Apr (vgl BGH NJW 77, 1590 f [BGH 03.05.1977 - VI ZR 24/75]; vgl jetzt auch § 823 II iVm § 201a StGB), Ansprüche aus § 826 BGB wegen unrichtiger Vollstreckungstitel (s dazu näher Rn 14 ›Zwangsvollstreckung‹; § 322 Rn 49 ff), Beihilfehandlungen gem § 830 BGB (BGHZ 184, 365; WM 11, 3028) und Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839 BGB iVm Art 34 GG (vgl Frankf OLGR 08, 4 ff; Celle MDR 10, 1485 [OLG Celle 08.06.2010 - 16 W 43/10]) und für die Amtshaftung der Notare (§ 19 BNotO; Hambg MDR 14, 1411 [OLG Zweibrücken 08.08.2014 - 2 U 5/14]). Durch § 823 II BGB ist der Anwendungsbereich auf alle Schutzgesetze im Sinne dieser Vorschrift erweitert (vgl BGH NJW 56, 911; BGHZ 132, 105, 106; WM 11, 142; Oldbg TranspR 01, 322 f; München OLGR 04, 239 f; Naumbg OLGR 05, 235f). Davon wird auch der presserechtliche Gegendarstellungsanspruch iSd Pressegesetze/Mediengesetze der Länder erfasst. Dieser stellt nämlich ein Schutzgesetz iSd § 823 II BGB dar (vgl München AfP 78, 27 f zu Art 10 Bayerisches Pressegesetz aF; BayObLGZ 58, 189, 194; offen Frankf NJW 60, 2059, 2060). Die Zuwiderhandlung wird durch das Unterlassen des Abdrucks begangen (München AfP 78, 27f). Bei der zivilgerichtlichen Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs liegt daher grds Anspruchsgrundlagenkonkurrenz zwischen dem Gegendarstellungsanspruch nach Presserecht und einer unerlaubten Handlung iSd § 32 vor, die zwangsläufig zum Gerichtsstand des § 32 führt (aA Frankf NJW 60, 2059 f [OLG Frankfurt am Main 27.10.1959 - 7 U 148/59]; Zö/Schultzky Rz 15; ThoPu/Hüßtege Rz 3; MüKoZPO/Patzina Rz 16; iE wie hier Stadler JZ 94, 642 ff). Streitig ist, ob der Gesamtschuldnerausgleich der Deliktsschuldner (vgl §§ 840, 426 BGB, 116 VVG) von § 32 erfasst wird. Obwohl gesetzliche Ausgleichsverhältnisse grds nicht unter § 32 fallen (vgl Zö/Schultzky Rz 15; Musielak/Voit/Heinrich Rz 9), wird man die Zuständigkeit nach § 32 in diesem Fall wegen des Schutzzwecks der Norm (Rn 1, 3) bejahen müssen, da der Streit beim Ausgleich der Deliktsschuldner in einer deliktischen Handlung fußt (vgl Celle VersR 91, 234 f; Stuttg NJW-RR 06, 1362, 1363; Zö/Schultzky Rz 14, 13; aA MüKoZPO/Patzina Rz 17; Musielak/Voit/Heinrich Rz 9). Auch der Rückgriff des Versicherers gem § 117 V VVG gegen einen Mitschädiger kann im Gerichtss...

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