Rn 2

Die Zustellung des Urteils erfolgte bis zum 1.7.14 nicht durch Übermittlung der Urschrift, sondern einer amtlichen Ausfertigung (dazu Abs 2–5, BGH NJW 10, 2519, 2520 Rz 14), die das vollständige Urt einschließlich der Unterschriften enthält (BGH NJW 01, 1653, 1654), die von den nach § 309 mitwirkenden Richter zu leisten sind; anders ist es nur in den Fällen des § 313b II iVm VI. Die zum Zweck der Zustellung erstellte Ausfertigung musste die Urschrift im Wesentlichen wortgetreu und richtig wiedergeben (BGH NJW 01, 1653, 1654; vgl BGHR 06, 1115; BGH ZPO § 317 I Urteilsausfertigung 1 mN; VersR 82, 70); unwesentliche Abweichungen von der Urschrift, die nach § 319 berichtigt werden könnten, waren aber unschädlich (BGHZ 67, 284, 286 ff; BGH NJW-RR 06, 1570, 1571 Rz 11), ebenso ggf das falsche Az (Brandbg NJOZ 09, 1819, 1820). Um die Frist des § 516 in Lauf zu setzen, ist es aber jenseits von Abs 5 nicht ausreichend, wenn lediglich eine abgekürzte Urteilsausfertigung (Abs 2 S 3) zugestellt wird, da der Zustellungsempfänger auf dieser Grundlage nicht entscheiden kann, ob er ein Rechtsmittel einlegen möchte (BGHZ 138, 166, 168; BGHR 02, 257; BGH NJW-RR 91, 255; ZIP 93, 74, 75). Für die Frage der Zustellung als Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfrist kam es entscheidend auf die äußere Form und den Inhalt der zur Zustellung verwendeten Ausfertigung an; bei Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung ist allein die Ausfertigung maßgeblich, weil sie allein nach außen in Erscheinung tritt und die beschwerte Partei ihre Rechte nur anhand der Ausfertigung wahrnehmen kann und muss (RGZ 82, 422, 424; BGH NJW 01, 1653, 1654; vgl St/J/Althammer Rz 18). Beglaubigte Abschrift reichte bisher nicht aus (BGH MDR 11, 65; BGHZ 186, 22, Rz 18 ff = NJW 10, 519). Nach dem neuen Recht seit 1.7.14 werden Urteile grds in Abschrift zugestellt, was auch für die Rechtsmittelfristen bedeutsam ist, und nur noch auf Antrag nach Abs 2 S 1 in Form einer Ausfertigung (deutlich jetzt auch BGH NJW 16, 1680 Rz 11 f; NJOZ 18, 1145; NJW 19, 1374 [BGH 21.02.2019 - III ZR 115/18] Rz 10 f; dort auch zur Heilung von Zustellungsmängeln). Der Unterschied liegt darin, dass eine Abschrift eine einfache, gem § 169 IV 1 auch elektronisch zu übermittelnde Reproduktion (Kopie/Ausdruck/Datei) bedeutet, die Ausfertigung dagegen stets in Papierform erteilt wird (II 1) und sie eine höhere Richtigkeitsgewähr genießt (Müller-Teckhof MMR 14, 95, 98) und insbesondere auch für die Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Die Ausfertigung ist daher eine besondere Form der Abschrift, die dem Zweck dient, die bei den Akten verbleibende Urschrift nach außen zu vertreten (BGH NJW 10, 2519 [BGH 09.06.2010 - XII ZB 132/09]). Für einfache Abschriften gelten die Beglaubigungsregeln nach § 169 III–V nF. Die Beglaubigung ist zwingend. Wird alllerdings einer Partei entgegen § 317 I 1, § 169 II 1 statt einer beglaubigten Abschrift lediglich eine einfache Abschrift des Urteils zugestellt, wird der darin liegende Zustellungsmangel geheilt, wenn keine Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit der Abschrift bestehen. Das ist jedenfalls bei einer Übermittlung der Urteilsabschrift an das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) des Rechtsanwalts der Partei anzunehmen (BGH NJW 22, 1816 [BGH 11.02.2022 - V ZR 15/21] Rz 25). Bei der Parteizustellung einer einstweiligen Urteilsverfügung genügt es für die Vollziehung nicht, wenn nur eine Urteilsabschrift zugestellt wird; vielmehr ist die Zustellung einer Urteilsausfertigung nötig (Ddorf GRUR-RR 15, 493, 494 Rz 31). Der UdG darf vor Zustellung unwesentliche Unrichtigkeiten der Abschrift bzw. Ausfertigung (nicht des Originalurteils) analog § 319 selbst berichtigen; verweigert er dies oder die Erteilung der Ausfertigung insgesamt, ist Erinnerung (§ 573) statthaft. Die Zustellung des Urteils vor dessen Verkündung ist unwirksam (§ 3 Rn 17). Zu den Fällen des § 315 II 2, in denen notfalls ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe zuzustellen ist, s § 315 Rn 5; aA Musielak/Musielak Rz 4: nur Parteizustellung). Die zugestellte Ausfertigung/Abschrift muss die Unterschriften der Richter wiedergeben (BGH NJW 78, 217 [BGH 22.09.1977 - VII ZR 144/77]); es muss deutlich werden, dass die Urschrift unterzeichnet ist (§ 315 I). Wiedergabe der Richternamen in Klammern genügt nicht (BGH NJW 75, 781 [BGH 23.01.1975 - VII ZR 199/73]), wohl aber der den Richternamen angefügte Zusatz ›gez‹ oder maschinenschriftliche Wiedergabe ohne Klammern (Musielak/Musielak Rz 4). Eine Unleserlichkeit in Teilen oder geringfügige Auslassungen können für die Wirksamkeit der Zustellung unschädlich sein (BGH NJW-RR 05, 1658; NJW 01, 1653, 1654), nicht aber das Fehlen einer oder mehrerer ganzer Seiten (BGHZ 138, 166, 169 = NJW 98, 1959, 1960). Zustellungsmängel setzen die Fünf-Monats-Frist (§§ 517, 548) in Lauf.

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