Rn 5

Abs 1 S 2 ermöglicht die Ersetzung der Unterschrift eines oder zweier Richter, auch des Vorsitzenden (BGH VersR 92, 1155), durch einen Verhinderungsvermerk; die Unterzeichnung ist dann auch nach Wegfall der Verhinderung nicht nachzuholen. Abs 1 S 2 greift nur bei kollegial besetzten Spruchkörper, nicht beim Einzelrichter (Kobl VersR 81, 688). Ist dieser an der Unterschrift gehindert, muss das bereits verkündete Urt ohne Unterschrift (und ggf sogar ohne Tatbestand und Gründe) ausgefertigt und zugestellt werden (München HRR 40 Nr 1310; MüKoZPO/Musielak Rz 5). Gleiches gilt, wenn das gesamte Kollegialorgan verhindert ist (BGH VersR 92, 1155).

Erfasst ist nur die Verhinderung bei der Unterschriftsleistung, wegen der Verhinderung bei der Entscheidung selbst s § 309 Rn 5. Die Verhinderung kann auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruhen, zB Krankheit, urlaubsbedingte Abwesenheit oder Ausscheiden aus dem Richterdienst. Die Unterschrift darf nur von einem Richter geleistet werden, solange er noch dem aktiven Richterdienst angehört (BGH NJW 11, 1741 [BGH 13.04.2011 - XII ZR 131/09] Rz 22). Auch ein Wechsel zur Staatsanwaltschaft verhindert die Unterschriftsleistung (St/J/Althammer Rz 8), und zwar konsequenterweise auch dann, wenn es sich um einen Richter auf Probe handelt, der kraft Dienstauftrags zeitweise mit der Funktion und Dienstbezeichnung als Staatsanwalt tätig ist; BGH MDR 93, 9; aA Musielak/Musielak Rz 6). Der Wechsel in eine andere Kammer oder Senat desselben Gerichts ist kein Verhinderungsgrund (BayOblG VRS 64, 209, 210). Die Versetzung an ein anderes Gericht hindert die Unterschrift nicht aus rechtlichen Gründen (LAG Hamm BeckRS 15, 66653; so aber Stuttg OLGZ 76, 241, 243), wohl aber aus tatsächlichen Gründen (St/J/Althammer Rz 8); an eine Ausnahme ist zu denken, wenn die Unterschrift im Einzelfall problemlos eingeholt werden kann (zB bei gemeinsamem Dienstgebäude). Der Wechsel an einen anderen Spruchkörper desselben Gerichts hindert die Unterschrift nicht (BGH GRUR 16, 860 Rz 10f).

Die Verhinderung darf nicht nur kurzfristig sein; insoweit ist die Unterschrift nach Beseitigung der Verhinderung nachzuholen, nicht zu ersetzen (BGH NJW 77, 765, BAG NZA-RR 09, 553, 554 [BAG 24.06.2009 - 7 ABN 12/09] Rz 6). Eine Krankheit muss daher längerfristiger Natur sein und darf nicht nur (voraussichtlich) für wenige Tage oder nur für den Tag bestehen, an dem das Urt eigentlich unterschrieben werden sollte. Die Drei-Wochen-Frist des § 315 II 1 bietet einen Anhaltspunkt für die notwendige Dauer der Verhinderung, der mit dem Einzelfall abzustimmen ist (Musielak/Musielak Rz 5 aE).

 

Rn 6

Verhinderungsvermerk: Der Vorsitzende, (nur) bei dessen Verhinderung der (dienst-)älteste beisitzende Richter (vgl München OLGR München 02, 346), muss unter dem Urt den Umstand der Verhinderung des Beisitzers und den Verhinderungsgrund angeben. Es muss deutlich werden, dass dieser Vermerk von dem Vorsitzenden stammt (BGH NJW 61, 782 [BGH 12.01.1961 - II ZR 149/60]). Das kann, muss aber nicht durch einen der Unterschrift des Vorsitzenden angefügten Zusatz ›zugleich für den wegen … an der Unterschrift gehinderten …‹ geschehen (aA ThoPu/Reichold Rz 1; unklar Wieczorek/Schütze/Rensen Rz 15), zumal Abs 1 S 2 keine Vertretungsregelung ist. Es reicht auch, dass den üblichen Namensvordrucken für die Mitglieder des Spruchkörpers an der betreffenden Stelle ein Zusatz angefügt ›… ist an der Unterschrift wegen … verhindert‹ und dieser Zusatz vom Vorsitzenden (neben seiner ›normalen‹ Unterschrift) zusätzlich unterschrieben wird. Insoweit reicht zumindest bei eindeutiger Zuordnung auch eine Paraphe des Vorsitzenden aus, da Abs 1 S 2 eine Unterschrift des Vorsitzenden gerade nicht zwingend voraussetzt (vgl auch BGH VersR 84, 287).

Der Vermerk muss zunächst die Tatsache der Verhinderung und Art und Grund der Verhinderung enthalten. Das setzt voraus, dass sich der Vorsitzende von dem Grund Kenntnis verschafft, sonst ist der Verhinderungsvermerk unwirksam (BAG NJW 10, 2300, 2301 [BAG 03.03.2010 - 4 AZB 23/09]). Die Unterschrift des Vorsitzenden mit dem Zusatz ›zugleich für die an der Unterschriftsleistung gehinderten‹ Beisitzer ohne weitere Angaben von Gründen reicht für die Ersetzung nicht aus (BGH VersR 84, 287). Allgemeine Floskeln wie ›Abwesenheit‹ oder ›Nichterreichbarkeit‹ genügen ebenfalls nicht (Frankf OLGR Frankf 96, 34), da sie im Grunde nur die Verhinderung als solche kennzeichnen. Ausreichend ist die Angabe ›wegen Krankheit‹, wobei nähere Angaben zu Art und Ausmaß der Erkrankung entbehrlich sind (für ›Urlaub‹ NJW-RR 94, 1406 [BGH 10.05.1994 - X ZB 7/93]; s aber Rn 8). Die Gründe müssen lediglich so genau bezeichnet sein, dass das Rechtsmittelgericht überhaupt prüfen kann, ob sie geeignet sind, eine tatsächliche oder rechtliche Verhinderung zu begründen. Die Angabe des Grundes muss aber keine Prüfung dahingehend ermöglichen, ob es dem Richter in concreto tatsächlich unmöglich war, die Unterschrift zu leisten, denn eine solche Prüfung nimmt ...

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