Rn 8

Die Endentscheidungsreife ist nicht anders zu definieren als bei § 300 (§ 300 Rn 2), jeweils bezogen auf den zur Entscheidung durch Teilurteil gestellten Streitgegenstand. Dazu muss der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt, eine etwa erforderliche Beweisaufnahme durchgeführt und das Angebot an (weiteren) Beweisen erschöpft sein. Ein verspätetes Vorbringen kann nicht durch Teilurteil zurückgewiesen werden, da es für § 296 auf die Endentscheidungsreife bezogen auf den gesamten Gegenstand des Rechtsstreits ankommt (§ 300 Rn 2; ebenso R/S/G § 59 Rz 12; aA Anders/Gehle/Hunke ZPO Rz 2). Mit § 301 lässt sich dieser ›Persilschein‹ für die Flucht in die Widerklage allerdings nicht begründen (krit Prütting/Weth ZZP 98, 131, 146); die Frage ist bei § 296 zu erörtern, § 296 Rn 58.

Entscheidungserhebliche Fragen wie Mitverschulden (BGHZ 76, 397, 399f) oder das Verweisungsprivileg des § 839 I 2 BGB, § 19 BNotG dürfen in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen nicht offenbleiben. Daher können Umstände, die für das Schlussurteil bedeutsam sind, häufig die Endentscheidungsreife über den Teil ausschließen (oben Rn 3), so wenn die Entscheidung im Schlussurteil das Feststellungsinteresse des § 256 beeinflusst (RGZ 151, 381, 384). Die Entscheidungsreife fehlt, wenn zwar ein konkret abgrenzbarer Schadensposten eines Gesamtschadens entscheidungsreif ist, aber der Kl ohnehin nur eine Teilklage erhoben hat (Hambg MDR 1957, 747 [OLG Hamburg 07.06.1957 - 1 U 120/56]). Fordert der Kl Schadensersatz in Gestalt von Aufwendungsersatz und als entgangenen Gewinn, kann über den entgangenen Gewinn nicht entschieden werden, solange die Höhe der Aufwendungen unklar ist, soweit sie als ›Sowieso‹-Aufwendungen auf den Gewinn angerechnet werden müssten (BGH NJW-RR 91, 1468, 1469 [BGH 26.04.1991 - V ZR 213/89]). Trotz Teilbarkeit der Klageforderung bzw bei mehreren Klageforderungen fehlt die Entscheidungsreife, wenn der Gesamtforderung eine streitige Gegenforderung zur Aufrechnung gegenübersteht, die den Betrag des für das Schlussurteil verbleibenden Restanspruchs übersteigt (Frankf MDR 75, 321, 322). Gleiches gilt bei mehreren, die zu erledigende Forderung übersteigenden Gegenforderungen mit ungeklärter Tilgungsreihenfolge (vgl BGHZ 139, 117, 118; R/S/G § 59 Rz 17). Bei einem gegen den gesamten Anspruch gerichteten Zurückbehaltungsrecht oder Leistungsverweigerungsrecht kann es uU an der Entscheidungsreife fehlen, solange der Umfang des Leistungsverweigerungsrechts ungeklärt ist. Das Gericht darf nicht selbstständig einen geschätzten Mängelbeseitigungsaufwand von der Restwerklohnforderung abziehen und damit das Leistungsverweigerungsrecht eigenmächtig exekutieren (BGH NJW 92, 1632, 1633).

Bei einer Mehrheit von Parteien fehlt die Entscheidungsreife, wenn hinsichtlich einer Partei eine Beweisaufnahme aussteht, deren Ergebnis aber für sämtliche Streitgenossen von Belang ist (BGH NJW-RR 92, 253, 254 [BGH 11.10.1991 - V ZR 341/89]: Einheitliche Beweiswürdigung).

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