Rn 8

Dritter ist, wer nicht Berechtigter iSv Abs 1 (Rn 3) oder Behörde (Rn 1) ist. Während Anhängigkeit der zuständige Vorsitzende, danach der Vorstand des Gerichts (Behördenleiter) oder der von diesem beauftragte Richter (Rn 14) wird dem Berechtigten nach pflichtgemäßem Ermessen auf Antrag idR Einsicht gewähren, wenn die Parteien damit einverstanden sind. Sind sie nicht einverstanden, entscheidet der Vorstand des Gerichts (bzw der beauftragte Richter) nach pflichtgemäßem Ermessen, ob der Dritte sein rechtliches und nicht nur berechtigtes oder wirtschaftliches Interesse (KG NJW 88, 1738 [KG Berlin 09.02.1988 - 1 VA 5/87]; Zuck NJW 10, 2913) glaubhaft (§ 294) gemacht hat und ob es im Einzelfall unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots ggü den Interessen der Parteien an Schutz ihrer Daten überwiegt (BayObLG NZI 21, 1078 [BayObLG 02.09.2021 - 101 VA 100/21] Rz 21 ff; vgl § 475 I, II StPO). Das Verfahren selbst oder zumindest dessen Gegenstand muss für die rechtlichen Belange des Antragstellers von konkreter rechtlicher Bedeutung sein (BGH 15.10.20 – IX AR [VZ] 2/19 Rz 14). Damit liegt ein rechtliches Interesse vor, wenn der Dritte einen rechtlichen Bezug zum Gegenstand des konkreten Prozesses hat: Das Interesse muss sich unmittelbar aus der Rechtsordnung ergeben. Es setzt ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraus (BGH ZIP 06, 1154). Es liegt schon vor, wenn persönliche Rechte des Antragstellers durch den Akteninhalt auch nur mittelbar berührt werden können, sofern ein rechtlicher, nicht nur ein wirtschaftlicher (BayObLG 29.6.22 – 102 VA 14/22; 12.9.19 – 1 VA 86/19, NZI 19, 830 Rz 19), Bezug zu dem Streitstoff der einzusehenden Akte besteht. Insoweit genügen auch rechtlich begründete wirtschaftliche Interessen, sofern diese Interessen einen rechtlichen Bezug zum Streitstoff der Akten haben; es muss der Interessenkreis des jeweiligen Antragstellers durch das Verfahren konkret berührt werden, und zwar durch das Verfahren selbst oder wenigstens durch den diesem zu Grunde liegenden Sachverhalt (Frankf NZI 10, 773, 774 [OLG Celle 14.07.2010 - 3 U 23/10]; 21.6.16 – 20 VA 20/15). Das rechtliche Interesse liegt daher idR vor, wenn die erstrebte Kenntnis vom Akteninhalt zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen, die mit dem Prozessgegenstand im Zusammenhang stehen, dient (Frankf r+s 08, 474; zu Partei, die Verfahrensverstöße vermutet Köln 3.6.19 – 7 VA 7/19). So ist es gegeben zB idR beim Rechtsschutzversicherer, der Regressansprüche gem §§ 280 BGB, 86 VVG prüft (Ddorf 16.3.21 – I-3 Va 1/20; Frankf 16.7.20 – 20 VA 19/19; Köln 12.8.19 – 7 VA 17/19), oder beim Streitverkündeten, der den Beitritt oder die Reichweite der Interventionswirkung (§ 74) prüft, oder beim gesetzlichen Unfallversicherer (vgl § 199 I 2 SGB VII), der an einen Geschädigten, dessen Unfall Gegenstand des Verfahrens ist, geleistet und zu prüfen hat, ob ein gesetzlicher Anspruchsübergang gem § 116 SGB X auf ihn stattgefunden hat (Schlesw 20.1.09 – 12 Va 11/08). Auch hat es der Besteller beim Prozess des Haupt- mit dem Subunternehmen mit Beweisaufnahme über Mängel an seinem Bauvorhaben (Oldbg NJW 15, 1255 [OLG Stuttgart 26.01.2015 - 17 UF 263/14] Rz 9). Im Insolvenzverfahren besteht das Interesse beim Anfechtungsgegner (§§ 129 ff InsO; BayObLG 3.12.19 – 1 VA 70/19 Rz 14). Die hM verlangt für die Beteiligtenrolle eines Gläubigers (Rn 3), dass die Forderung angemeldet wurde, billigt aber grds allen (potenziellen; vgl Köln 29.5.17 – 7 VA 11/17; Frankf NZI 10, 773, 774 [je auch zu Massegläubigern]; Celle ZIP 07, 299; Jaeger/Gerhardt InsO § 4 Rz 25; enger LG Karlsruhe NZI 03, 327; LG Düsseldorf ZIP 07, 1388; Schuster/Friedrich ZIP 09, 2418) Gläubigern das Interesse iSv II zu (vgl BGH 7.12.06 – IX ZB 1/04 ZIP 07, 647 Rz 7; Celle ZIP 04, 370, 371; Frankf r+s 08, 474 f; BayObLG 8.4.20 – 1 VA 132/19; MüKoInsO/Ganter/Bruns § 4 Rz 61), auch, wenn ein Verfahren mangels Masse nicht eröffnet wird (vgl § 4 InsO; BGH ZIP 06, 1154; Celle NJW 04, 863), und zwar auch zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen ggü einem vormaligen Organ der Schuldnerin (BGH ZIP 06, 1154) oder deren Abwehr (zum Kommanditisten BGH 15.10.20 – IX AR [VZ] 2/19 Rz 14 ff), oder wenn vor Eröffnung der Insolvenzantrag erledigt ist (BayObLG ZIP 20, 978: zur Einsicht des Gesellschaftsgläubigers in die Akten bzgl des Gesellschafters; Schlesw NZI 08, 690 [OLG Schleswig 29.07.2008 - 12 Va 1/08]; zu Neugläubiger s.a. Frankf NZI 08, 618, 619 [OLG Stuttgart 20.02.2008 - 10 U 3/08]). Ist die Forderung allerdings bestritten, hat der Antragsteller das Bestehen seines Anspruchs anhand nachvollziehbarer Tatsachen schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen (BayObLG 21.12.22 – 102 VA 174/21 Rz 39). Die bloße Behauptung des Antragstellers, dass ihm möglicherweise ein Anspruch zustehe, genügt nicht (Bremen 5.4.22 – 1 VA 4/21 Rz 15). Wegen der extrem weitgehenden Auskunftspflichten ...

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