Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliches Interesse des Rechtsschutzversicherers an Akteneinsicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rechtsschutzversicherer, der Deckung gewährt hat, hat regelmäßig ein rechtliches Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO an der Einsichtnahme in die Akten des Rechtsstreits, an dem sein Versicherungsnehmer beteiligt ist, wenn er prüfen will, ob ihm ein Kraft Gesetztes (§§ 86 Abs. 1 VVG) übergegangener Anspruch des Versicherungsnehmers gegen dessen Prozessbevollmächtigten zustehet (Anschluss an: OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2020; A: I-15 VA 35/19 und OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2019, Az. 7 VA 12/19 und vom 12.08.2019 Az. 7 VA 17/19).

2. Gegen die Bewilligung von Akteneinsicht für einen nicht prozessbeteiligten Dritten steht dem Rechtsanwalt einer Partei des Prozesses im Grundsatz eine Antragsbefugnis aus § 24 Abs. 1 EGGVG nicht zu.

3. Ausnahmsweise kann der Rechtsanwalt durch die Bewilligung von Akteneinsicht aber drittbetroffene und im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG antragsbefugt sein; dies gilt dann, wenn dem Rechtschutzversicherer der von ihm vertretenen Partei als Drittem Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO bewilligt worden ist, weil dieser das Bestehen von nach § 86 Abs. 1 VVG auf ihn übergangener Schadensersatzansprüche gegen eben jenen Rechtsanwalt prüfen will.

 

Normenkette

BGB § 280; EGGVG §§ 23, 24 Abs. 1; VVG § 86; ZPO § 299 Abs. 2

 

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19.06.2019 wird zurückgewiesen.

Die Vollziehung des Bescheides des Präsidenten des Landgerichts Stadt1 vom 17.05.2019 - Az. ... - wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung ausgesetzt.

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten zu tragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Bei der weiteren Beteiligten handelt es sich um einen Rechtsschutzversicherer, bei welchem der Antragsteller zu 1 rechtschutzversichert war bzw. ist.

Mit Schriftsatz vom 11.04.2019 wandte sich die Verfahrensbevollmächtigte der weiteren Beteiligten an das Landgericht Stadt1.

Sie erklärte, die weitere Beteiligte zu vertreten, und ersuchte in deren Namen um Einsichtnahme in die Akten des Rechtsstreits mit dem Aktenzeichen ... (im Folgenden auch kurz: Ausgangsverfahren).

Sie führte dazu im Wesentlichen aus, die weitere Beteiligte habe als Rechtsschutzversicherer für den Kläger (den hiesigen Antragsteller zu 1) von diesem zu tragende Kosten im Innenverhältnis des Ausgangsverfahrens übernommen. Die weitere Beteiligte habe ihre Verfahrensbevollmächtigte beauftragt, Regressansprüche gemäß § 280 BGB, § 86 VVG gegen die Rechtsanwaltskanzlei zu prüfen, die den Antragsteller in dem Ausgangsverfahren vertreten hat (es handelt sich um die Antragstellerin zu 2, die vorliegend zugleich als Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 auftritt).

Dem Gesuch war eine vom 08.04.2019 datierende Vollmachturkunde (in Kopie im Verwaltungsvorgang des Präsidenten des Landgerichts Stadt1 zum Aktenzeichen ...) beigefügt, die mit einem Stempel der weiteren Beteiligten versehen und unleserlich unterzeichnet ist. Wegen der Einzelheiten der vorgenannten Dokumente wird auf diese verwiesen.

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten (der hiesigen Antragstellerin zu 2) vom 06.05.2019 (im vorbezeichneten Verwaltungsvorgang), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, widersprach der von dem Präsidenten des Landgerichts angehörte Antragsteller zu 1 als Kläger des Ausgangsverfahrens dem Akteneinsichtsgesuch. Er ließ dazu u. a. ausführen, die weitere Beteiligte habe ihr Verlangen nicht glaubhaft gemacht.

Auch bestehe ein rechtliches Interesse nicht. Das Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 04.11.2015, Az. 12 VA 4/15, zitiert nach juris) habe ein solches des Rechtsschutzversicherers angenommen, wenn der Versicherer ein Begehren (unmittelbar) gegen seinen Versicherten als Partei des Zivilprozesses richte und deshalb Akteneinsicht begehre. Der Versicherer müsse also im Versicherungsverhältnis agieren.

Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Weder sei eine Partei des Ausgangsverfahrens Anspruchsziel der weiteren Beteiligten noch bewege sich diese als Versicherer innerhalb des Versicherungsverhältnisses.

Weshalb in dem Verhältnis zwischen der Einsichtnahme begehrenden Dritten und dem weiteren Dritten, zu welchem diese in keinem rechtlichen Verhältnis stehe, ein rechtliches Interesse bestehen solle, begründe die weitere Beteiligte nicht. Dies könne sie auch nicht, weil sie ein insoweit unzureichendes bloß wirtschaftliches Ausforschungsinteresse verfolge.

Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 17.05.2019 bewilligte der Präsident des Landgerichts Stadt1 durch den von ihm mit der Entscheidung über Akteneinsichtsgesuche Dritter betrauten Richter am Landgericht der weiteren Beteiligten die Einsichtnahme in die Akten des Ausgangsverfahrens.

Zu den Gründen, wegen derer im Einzelnen auf...

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