Gründe

(b) ›...Gemäß § 299 Abs. 2 ZPO kann der Vorstand des Gerichts dritten Personen ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, steht die Gewährung der Akteneinsicht an Dritte sodann im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands des Gerichts und hat der Dritte nicht etwa ein gesetzl. Einsichtsrecht, wie es in § 299 Abs. 1 ZPO den Prozeßparteien eingeräumt wird (Senat OLGZ 1976,158). Für diesen Ermessensbereich ist der Senat gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG nur zu der Prüfung berechtigt, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung rechtswidrig ist, weil die gesetzl. Grenzen überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Nach diesen Maßstäben ist der Ablehnungsbescheid des Präsidenten des LG nicht zu beanstanden.

Bereits die Feststellung, ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht könne weder in der Person der AntrSt. [Anwälte] noch in der ihrer Mandanten bejaht werden, hält einer rechtlichen Nachprüfung stand. Wie der Senat bereits (aaO. S. 160 m. w. N.) ausgeführt hat, muß sich das rechtliche Interesse stets unmittelbar aus der Rechtsordnung ergeben; es setzt ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraus. Dabei ist dieser Begriff, der in verschiedenen gesetzl. Vorschriften als Voraussetzung für Eingriffe Dritter in die Interessengebiete anderer Personen gefordert wird, für jede Bestimmung unter Berücksichtigung der Interessen aller Betroffenen besonders zu ermitteln. Für § 299 Abs. 2 ZPO könnte danach zwar möglicherweise auch eine nur mittelbare Berührung persönlicher Rechte eines AntrSt. als genügend anzusehen sein. Diese vom Senat schon seinerzeit (aaO. S. 161) offengelassene Frage kann jedoch auch hier dahinstehen. Denn selbst wenn man annimmt, rechtliche Individualinteressen Dritter an einer Einsicht lägen vor, sofern irgendwelche persönlichen Rechte durch die Akteneinsicht auch nur mittelbar berührt werden, wäre hier ein rechtliches Interesse der AntrSt. zu verneinen. Denn Voraussetzung ist in jedem Fall, daß diese Interessen .. einen rechtlichen Bezug zum Streitstoff der einzusehenden Akten haben .. . Es muß der Interessenkreis der AntrSt. durch das Verfahren oder wenigstens durch den diesem zugrunde liegenden Sachverhalt konkret berührt werden (BGH GRUR 1973,491). Ein derartiger rechtlicher Bezug ist nicht gegeben, wenn ein AntrSt. hofft, durch die Einsicht tatsächliche Angaben zu finden, mit denen er seinerseits einen Anspruch begründen kann, der jedoch zu dem Streitstoff der einzusehenden Akten keinen Bezug hat.

(c) Die AntrSt. möchten im vorliegenden Verfahren die Akten darauf durchsehen, ob sich darin Angaben über die Vermögenssituation des Schuldners ihrer Mandanten, also des Bekl. jener Verfahren, finden, die Rückschlüsse auf eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht zulassen, auf die eine Anfechtungsklage gegen dessen jetzige Ehefrau gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG wegen der Veräußerung von Vermögenswerten gestützt werden kann. Das Interesse der AntrSt. ist damit auf einzelne in den Akten möglicherweise enthaltene Fakten gerichtet, jedoch weder auf das Verfahren als solches noch auf den diesem zugrunde liegenden Sachverhalt, der sie konkret nicht berührt. Ein rechtliches Interesse i. S. des § 299 Abs. 2 ZPO liegt damit nicht vor. Deshalb kommt auch die Herausgabe nur der in diesen Verfahren ergangenen Urteile nicht in Betracht. Der Gesichtspunkt, daß einem Dritten grundsätzlich die Einsicht in ein in einem anderen Verfahren ergangenes Urteil eher zuzubilligen sein mag als eine Akteneinsicht insgesamt, weil in dem Urteil individuelle Angaben geschwärzt werden können (vgl. OLG München, OLGZ 1984,477/479 [hier: IV (413) 190 b-c]), kann im vorl. Fall zu keinem anderen Ergebnis führen. Die AntrSt. sind grade an Fakten über den ihnen bekannten Bekl. in jenen Verfahren interessiert. Dieser kann dadurch, daß ihn individualisierende Angaben unkenntlich gemacht werden, nicht geschützt werden. Darüber hinaus ist aber auch nicht erkennbar, daß der Präsident des LG von dem ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hat. Er hat insoweit in seiner Stellungnahme zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorgetragen, daß das wirtschaftliche Interesse der AntrSt., das mit den in Aussicht genommenen rechtlichen Schritten verbundene Kostenrisiko durch die begehrte Akteneinsicht abwägen zu können, gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Parteien der betr. Verfahren zurückzutreten habe. Diese Ermessenserwägungen sind nach den eingangs genannten Grundsätzen nicht zu beanstanden. ...‹

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993792

NJW 1988, 1738

DRsp IV(413)207b-c

OLGZ 1988, 190

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