Rn 11

Die wichtigste beweisrechtliche Funktion des § 287 I besteht unbestritten in der Feststellung der Höhe eines Schadens. Steht ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung zur Höhe, darf die Klage grds nicht vollständig abgewiesen werden (BGH NJW 10, 3434, 3435 [BGH 14.07.2010 - VIII ZR 45/09]). Vielmehr muss der Tatrichter versuchen, den Schaden iRd Möglichen zu schätzen. Zur Höhe eines Schadens gehören dabei auch alle Tatsachen, die der Wertberechnung zugrunde zu legen sind wie etwa der Tag der Schadenszufügung bei einem Wertpapier mit wechselndem Börsenkurs (St/J/Thole Rz 22; Klauser JZ 1968, 167, 168; abw BGH VersR 1960, 369, 370). Ausgenommen vom Anwendungsbereich des § 287 ist aber die jeweilige Berechnungsmethode für die Ermittlung des Schadens, ferner die Frage, ob Naturalersatz oder Geld bzw Kapital oder Rente zu gewähren ist (MüKoZPO/Prütting Rz 16). Nach dem Maßstab des § 287 zu beurteilen sind danach zB hypothetische Entwicklungen, etwa die Höhe des entgangenen Gewinns nach § 252 S 2 BGB (BGH NJW 87, 909, 910 [BGH 26.11.1986 - VIII ZR 260/85] – Gewinn aus einem unzulässigen Konkurrenzgeschäft; BGH NJW 99, 3481 [BGH 09.07.1999 - V ZR 12/98] – Gewinn aus Scheingeschäft; BGH NJW 05, 3348, 3349 [BGH 26.07.2005 - X ZR 134/04] – zu erwartender Gewinn aus Veräußerung eines Analysegeräts; BGH MDR 09, 1119 f [BGH 24.06.2009 - VIII ZR 332/07] – entgangener Gewinn eines Versicherungsmaklers; BGH NJW 17, 1600, 1602 [BGH 13.10.2016 - IX ZR 149/15] Rz 19 m Anm Söns – Mietausfallschaden als entgangener Gewinn; BGH MDR 17, 1421 f – Erwerbsschaden eines selbstständigen Zahnarztes), die vermutliche Lebensdauer eines getöteten Ehemannes (BGHZ 1, 45, 46 = NJW 51, 195), die voraussichtliche Lebensdauer eines Rentenberechtigten (Brandbg GesR 19, 694), die Nutzungszinsen aus einer Lebensversicherung (BGH VersR 20, 88 Rz 16), die zur Schadensfeststellung erforderlichen Kosten eines Kfz.-Sachverständigen (BGH MDR 17, 640 [BGH 28.02.2017 - VI ZR 76/16]; NJW 20, 1001, 1002 [BGH 17.12.2019 - VI ZR 315/18] m Anm Schäfer; s dazu ausf Woitkewitsch MDR 20, 386 ff), die Ermittlung der noch gem § 252 II 2 BGB verhältnismäßigen Heilbehandlungskosten eines verletzten Tieres (BGH NJW 16, 1589, 1590 [BGH 27.10.2015 - VI ZR 23/15] Rz 13 ff), die Höhe eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld nach § 844 III BGB (Schlesw GesR 21, 455, 457), der Umfang des Ersatzanspruchs eines Flugreisenden nach einer Flugannullierung (AG Frankfurt NJW-RR 19, 690, 691 [OLG Köln 29.11.2018 - 3 U 24/18]), den Zeitaufwand einer anwaltlichen Tätigkeit (Ddorf NJW 19, 1956, 1958f [BGH 07.03.2019 - III ZR 117/18]) oder die Höhe eines Verdienstausfallschadens (BGH NJW-RR 88, 3016, 3017; Ddorf NJW 11, 1152, 1153; München NJW-Spezial 18, 714).

 

Rn 12

Soweit es um die für die Bemessung eines Erwerbsschadens erforderliche Prognose der hypothetischen Einkommensentwicklung geht, ist von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen (BGH MDR 11, 29, 30 [BGH 09.11.2010 - VI ZR 300/08] für die Behauptung der Geschädigten, sie hätte ohne den Schadensfall trotz ihres fortgeschrittenen Alters eine gut bezahlte Festanstellung erhalten; allg zu Prognoseentscheidungen Regenfus JR 12, 137 ff). Dies setzt allerdings stets voraus, dass der Geschädigte die für seinen beruflichen Erfolg maßgeblichen Faktoren, wie Schul- und Ausbildungsnoten, sowie persönliche Fähigkeiten substanziiert darlegt (Ddorf MDR 21, 1464, 1465). Dabei ist zu beachten, dass der zu ersetzende Schaden nicht im Wegfall oder der Minderung der Arbeitskraft als solcher liegt. Dieser Ausfall bzw. die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit muss sich vielmehr konkret im Erwerbsergebnis ausgewirkt haben (BGH MDR 16, 461, 462 Rz 17; VersR 17, 1412 ff). Zu berücksichtigen ist auch, welchen Einfluss eine bereits vorhandene Erkrankung auf die zukünftige berufliche Situation des Geschädigten gehabt hätte. Dementsprechend ist ggf eine Verdienstausfallrente auf die voraussichtliche Dauer der Erwerbstätigkeit des Geschädigten zu begrenzen (BGH NJW 16, 3785, 3786 [BGH 31.05.2016 - VI ZR 305/15] Rz 10). Soweit es um ein jüngeres Kind geht, über dessen berufliche Zukunft noch keine zuverlässige Aussage möglich ist, kann es geboten sein, bei der erforderlichen Prognose auch den Beruf sowie die Vor- und Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation in der Berufstätigkeit, die beruflichen Pläne für das Kind sowie schulische und berufliche Entwicklung von Geschwistern zu berücksichtigen (BGH NJW 11, 1148 ff mit Anm Schiemann; Rostock NJW-RR 21, 1256, 1258 Rz 27 ff; s dazu auch Freymann DAR 13, 752, 755 ff). Es darf dabei ohne konkrete Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass ein jugendlicher Mensch auf Dauer die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten für eine gewinnbringende Erwerbstätigkeit nicht nutzen und erwerbslos bleiben werde (München MDR 21,1464,...

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