Rn 65

Außer durch den Wortlaut und den Satzbau einer Norm kann der Gesetzgeber Abweichungen von der Grundregel auch durch ausdrückliche gesetzliche Beweislastnormen regeln. Solche Anordnungen finden sich vielfach im BGB (etwa §§ 179, 280 I 2, 327b VI, 345, 363, 543 IV 2, 619a, 630h, 2336 III), aber auch in anderen Gesetzen (§ 22 AGG, § 1 IV ProdHaftG, § 6 UmweltHG). Die Verteilung der Beweislast regeln ferner widerlegliche Tatsachen- (§§ 685 II, 1117 III, 1253 II, 2270 II BGB) und Rechtsvermutungen (§§ 891, 1006, 1362 I 1, 2365 BGB), indem sie dem Vermutungsgegner den Beweis des Gegenteils zuweisen (ausf § 292 Rn 4). Dazu gehören jedoch nicht die sog tatsächlichen Vermutungen, die lediglich iRd Beweiswürdigung Bedeutung erlangen und allenfalls zu einer Umkehr der konkreten Beweisführungslast führen können (§ 292 Rn 6 ff). Ebenso wenig haben die gesetzlichen Beweisregeln des § 286 II (Rn 18) mit der Verteilung der Beweislast zu tun. Sie schließen lediglich die freie Beweiswürdigung des Gerichts aus, indem sie den Beweiswert eines Beweismittels ohne Rücksicht auf die Überzeugung des Gerichts festschreiben. Wie jede Norm sind auch Beweislastnormen der Auslegung, der analogen Anwendung und der richterrechtlichen Rechtsfortbildung zugänglich (Rn 59). Eine Abweichung von der gesetzlich vorgegebenen Grundregel kann deshalb in eng begrenzten Ausnahmefällen auch durch die Rspr erfolgen, wobei Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer auf diese Weise geschaffenen Beweislastregel wiederum abstrakt und generell bestimmt sein müssen (St/J/Thole Rz 125). Solche neuen Beweislastregeln hat die Rspr etwa für die Haftung des Warenherstellers und im Bereich der Arzthaftung geschaffen (näher Rn 73 f).

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