Gesetzestext

 

1Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. 2Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

A. Zweckrichtung des Gesetzes.

 

Rn 1

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die Rechtshängigkeit nicht beseitigt (Celle ZIP 11, 2127). Der Schuldner verliert aber seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis einschließlich der Prozessführungsbefugnis über sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen; an seine Stelle tritt nach § 80 I InsO der Insolvenzverwalter (BGH NJW-RR 13, 1461; BeckRS 20, 23361). Die von dem Schuldner erteilte Prozessvollmacht erlischt nach § 117 InsO. Folgerichtig bestimmt § 240 S 1, dass das Verfahren mit dem Eröffnungsbeschluss unterbrochen wird. Dasselbe gilt nach § 240 S 2, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach §§ 21 II 1 Nr 2, 1. Fall, 22 I 1 InsO übergeht, nicht hingegen bei Auferlegung eines Zustimmungsvorbehaltes gem § 21 II 1 Nr. 2, 2, Fall InsO (BGH NJW 16, 645 [BGH 07.01.2016 - I ZB 110/14] Rz 8; NJW-RR 13, 1461; KG NZG 11, 429 [KG Berlin 24.02.2011 - 19 U 83/10]; MüKoZPO/Münch Rz 13). Zweck des § 240 ist, dass dem Insolvenzverwalter genügend Bedenkzeit für die Frage, ob er den Prozess aufnehmen will, eingeräumt werden soll (BAG NJW 22, 3241 Rz 17). Auch die Gläubiger, deren gemeinschaftliche Befriedigung durch das Insolvenzverfahren bezweckt wird, sollen nicht durch laufende Prozesse beeinträchtigt werden. Wegen dieser Zweckrichtungen wird das Verfahren mit der Bestellung eines Insolvenzverwalters auch unterbrochen, wenn dessen Bestellung mit einem allgemeinen Verfügungsverbot gegenüber dem Schuldner und einer Ermächtigung für den vorläufigen Verwalter verbunden ist, Prozesse für den Schuldner zu führen (BGH NJW-RR 13, 1461; vgl a. BFH ZInsO 13, 2217).

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

§ 240 gilt für rechtshängige Erkenntnisverfahren in allen Instanzen, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner auf der Kläger- oder der Beklagtenseite steht (vgl allg zum Anwendungsbereich vor §§ 239 ff Rn 1, 2). Sind mehrere Parteien auf einer Seite vorhanden und wird nur über das Vermögen einer Partei das Insolvenzverfahren eröffnet, bleibt eine Kostenfestsetzung aus einer Kostengrundentscheidung gegen die anderen Beteiligten möglich (Frankf NJOZ 19, 1266). § 240 greift auch ein, wenn (nur) der Streithelfer der insolventen Partei Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat (BGH MDR 14, 794). Die Vorschrift gilt unmittelbar zudem grds für Beschlussklagen, zB eines Wohnungseigentümers und eines GmbH-Gesellschafters, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, es sei denn, die Klage kann keine Veränderung der Masse bewirken (BGH NZG 18, 32 Rz 15; LG Düsseldorf ZMR 11, 671; Hügel/Elzer § 44 WEG Rz 121). In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet § 240 grds keine Anwendung, (Jena BeckRS 12, 21878 für die Folgesache Zugewinn; LG Bonn ZIP 11, 2031). Für Spruchverfahren iSd §§ 6, 17 SpruchG gilt § 240 nicht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ag (BGH WM 19, 643). Für das Zwangsvollstreckungsverfahren gelten die speziellen Regeln der §§ 88 ff InsO, (BGHZ 172, 16). Im Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung, die die Zwangsvollstreckung erst ermöglicht, z.B. bei einem Schiedsspruch und ausländischen Urt gem §§ 722 f, findet § 240 Anwendung, wenn die Insolvenzmasse betroffen ist (BGH FamRZ 08, 1749; NJW-RR 17, 1327; 17, 2199; MDR 18, 1336); im Schiedsverfahren selbst gilt § 240 – anders als im staatlichen Verfahren nach §§ 1059 ff – nicht unmittelbar; jedoch kann das Schiedsgericht vergleichbare Maßnahmen treffen (Bork SchiedsVZ 22, 143; Anders/Gehle/Anders ZPO § 1042 Rz 14 ›Aussetzung‹). § 240 setzt Rechtshängigkeit voraus (BGH NJW-RR 09, 566; München MDR 08, 291). Wird das Insolvenzverfahren nach Klageerhebung (Anhängigkeit), aber vor Zustellung an den beklagten Insolvenzschuldner, dh vor Rechtshängigkeit, eröffnet, ist die Klage unzulässig. Der daraus resultierende Kostenerstattungsanspruch gehört aber als Neuerwerb zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) und ist allein vom Insolvenzverwalter gem § 80 InsO geltend zu machen (BGH NJW-RR 09, 566 [BGH 11.12.2008 - IX ZB 232/08]). Wird über das Vermögen desjenigen, der beim deutschen Patent- und Markenamt die Löschung einer Marke beantragt, das Insolvenzverfahren eröffnet und sind dieser und der Markeninhaber Wettbewerber, ist auch ohne anhängiges Verletzungsverfahren das Vermögen des Löschungsantragsstellers betroffen (BGH GRUR 19, 549 [BGH 31.01.2019 - I ZB 114/17] – Kaffeekapseln). § 240 findet auch bei der Verbraucherinsolvenz (BGH NJW-RR 04, 48 [BGH 24.07.2003 - IX ZR 333/00]) und Nachlassinsolvenz (Anders/Gehle/Becker ZPO § 240 Rz 5 Stichworte dort; Rn 3) Anwendung. § 2...

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