Rn 2

§ 240 gilt für rechtshängige Erkenntnisverfahren in allen Instanzen, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner auf der Kläger- oder der Beklagtenseite steht (vgl allg zum Anwendungsbereich vor §§ 239 ff Rn 1, 2). Sind mehrere Parteien auf einer Seite vorhanden und wird nur über das Vermögen einer Partei das Insolvenzverfahren eröffnet, bleibt eine Kostenfestsetzung aus einer Kostengrundentscheidung gegen die anderen Beteiligten möglich (Frankf NJOZ 19, 1266). § 240 greift auch ein, wenn (nur) der Streithelfer der insolventen Partei Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat (BGH MDR 14, 794). Die Vorschrift gilt unmittelbar zudem grds für Beschlussklagen, zB eines Wohnungseigentümers und eines GmbH-Gesellschafters, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, es sei denn, die Klage kann keine Veränderung der Masse bewirken (BGH NZG 18, 32 Rz 15; LG Düsseldorf ZMR 11, 671; Hügel/Elzer § 44 WEG Rz 121). In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet § 240 grds keine Anwendung, (Jena BeckRS 12, 21878 für die Folgesache Zugewinn; LG Bonn ZIP 11, 2031). Für Spruchverfahren iSd §§ 6, 17 SpruchG gilt § 240 nicht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ag (BGH WM 19, 643). Für das Zwangsvollstreckungsverfahren gelten die speziellen Regeln der §§ 88 ff InsO, (BGHZ 172, 16). Im Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung, die die Zwangsvollstreckung erst ermöglicht, z.B. bei einem Schiedsspruch und ausländischen Urt gem §§ 722 f, findet § 240 Anwendung, wenn die Insolvenzmasse betroffen ist (BGH FamRZ 08, 1749; NJW-RR 17, 1327; 17, 2199; MDR 18, 1336); im Schiedsverfahren selbst gilt § 240 – anders als im staatlichen Verfahren nach §§ 1059 ff – nicht unmittelbar; jedoch kann das Schiedsgericht vergleichbare Maßnahmen treffen (Bork SchiedsVZ 22, 143; Anders/Gehle/Anders ZPO § 1042 Rz 14 ›Aussetzung‹). § 240 setzt Rechtshängigkeit voraus (BGH NJW-RR 09, 566; München MDR 08, 291). Wird das Insolvenzverfahren nach Klageerhebung (Anhängigkeit), aber vor Zustellung an den beklagten Insolvenzschuldner, dh vor Rechtshängigkeit, eröffnet, ist die Klage unzulässig. Der daraus resultierende Kostenerstattungsanspruch gehört aber als Neuerwerb zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) und ist allein vom Insolvenzverwalter gem § 80 InsO geltend zu machen (BGH NJW-RR 09, 566 [BGH 11.12.2008 - IX ZB 232/08]). Wird über das Vermögen desjenigen, der beim deutschen Patent- und Markenamt die Löschung einer Marke beantragt, das Insolvenzverfahren eröffnet und sind dieser und der Markeninhaber Wettbewerber, ist auch ohne anhängiges Verletzungsverfahren das Vermögen des Löschungsantragsstellers betroffen (BGH GRUR 19, 549 [BGH 31.01.2019 - I ZB 114/17] – Kaffeekapseln). § 240 findet auch bei der Verbraucherinsolvenz (BGH NJW-RR 04, 48 [BGH 24.07.2003 - IX ZR 333/00]) und Nachlassinsolvenz (Anders/Gehle/Becker ZPO § 240 Rz 5 Stichworte dort; Rn 3) Anwendung. § 246 gilt nicht; § 240 ist in dieser Vorschrift nicht erwähnt und nach § 117 InsO erlischt – anders als in den in § 246 genannten Fällen – die Prozessvollmacht; deshalb gilt § 240 sowohl im Parteien- als auch im Anwaltsprozess (BGH ZIP 88, 1584; s.a. § 246 Rn 2). Betroffen sein muss die Insolvenzmasse, so dass § 240 nicht bei einem Verfahren gem § 888 eingreift (Naumbg FamRZ 08, 620). Dasselbe gilt für höchstpersönliche und nicht vermögensrechtliche Ansprüche (Zö/Greger § 240 Rz 8). Soweit eine Eigenverwaltung nach § 270 InsO angeordnet wird, ist kein Insolvenzverwalter zu bestellen; vielmehr bleiben die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse beim Schuldner; gleichwohl ist eine Unterbrechung auch in diesem Fall zu bejahen, weil der Schuldner bei einer Eigenverwaltung die Aufgabe des Insolvenzverwalters mitübernehmen muss (BGH MDR 07, 612; BAG ZIP 20, 1771 = NZA 20, 1091; BFH DB 14, 1236 – Aufnahmeberechtigung des Schuldners). § 240 greift aber nicht bei noch nicht eröffneter Eigenverwaltung im Verfahren nach § 270a InsO ein (LG Freibg ZIP 14. 1351; BAG ZIP 20, 1771). Ein Rechtsstreit über eine Forderung ist auch dann unterbrochen, wenn der Schuldner die Forderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetreten hat, diese Abtretung jedoch nach insolvenzrechtlichen Vorschriften anfechtbar ist (BGH NJW-RR 10, 1351 [BGH 11.02.2010 - VII ZR 225/07]). Auch wenn § 240 im PKH-Verfahren nicht gilt (vgl vor §§ 239 ff Rn 1), hat die Unterbrechung des Hauptsacheverfahrens insofern Auswirkungen auf das PKH-Verfahren, als es für die Beurteilung der Klage auf den Sach- und Streitstand bis zur Unterbrechung ankommt und PKH nur für den Zeitraum bis zur Unterbrechung gewährt werden kann (Frankf BeckRS 12, 24990).

§ 240 S 1 gilt entsprechend im Steuerfestsetzungs- oder Einspruchsverfahren gegen die Einkommenssteuerfestsetzung, soweit Insolvenzforderungen betroffen sein können (BFH NJW 20, 566; FG Köln EFG 16, 1676).

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