Rn 5

An einer heilungsfähigen Zustellung fehlt es, wenn das Schriftstück ohne den Zustellungswillen des Zustellungsveranlassers (§ 166 Rn 7) zugegangen ist (BTDrs 14/4554, 24; BGH NZFam 20, 1031 Rz 9; FamRZ 20, 770 Rz. 19 mwN; NJW-RR 17, 1086 Rz 13; NJW-RR 11, 417 Rz 11). Eine Zustellung muss also angeordnet sein (vgl §§ 168, 176), die Absicht einer lediglich formlosen Mitteilung genügt dagegen nicht. Entscheidend ist bei der Amtszustellung der Wille des für das Verfahren zuständigen Organs, grds also des Richters (§ 270 I S 1), nicht der Geschäftsstelle, die lediglich die Zustellung ausführt (§ 168).

 

Rn 5a

Eine Heilung der fehlerhaften Zustellung entsprechend § 189 kommt nur bei vorliegendem Zustellungswillen in Betracht. Die formgerechte Zustellung muss hierfür vom Gericht wenigstens angestrebt worden sein (vgl BGHZ 214, 294 = NJW 17, 2472 Rz 35). Am erforderlichen Zustellungswillen fehlt es indessen, wenn das Gericht von vornherein bewusst von einer förmlichen Zustellung der Entscheidung absieht und eine schriftliche Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post anordnet (BGH NJW-RR 20, 648 = FamRZ 20, 770 Rz 19 = NJW 21, 2297 LS; NJW 21, 2660 Rz 8).

Die Feststellung dieses Willens ist notwendig, weil der Mangel des Empfangswillens bei einer Zustellung gg Empfangsbekenntnis nicht durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs iSv § 189 geheilt werden kann (BGH NJW 22, 1816 [BGH 11.02.2022 - V ZR 15/21] Rz 22). Lässt sich nicht mehr feststellen, ob eine förmliche Zustellung gewollt war, tritt keine Heilung ein (MüKoZPO/Häublein/Müller Rz 4). Der Zustellungswille muss sich gerade auf diejenige Person als Adressaten beziehen, der gegenüber die Heilung eintreten soll (BGH NJW 17, 2472 [BGH 29.03.2017 - VIII ZR 11/16] Rz 34 ff; NJW-RR 17, 1086 [BGH 04.07.2017 - VIII ZB 85/16] Rz 13). Eine Zustellung im Parteibetrieb ist unheilbar unwirksam, wenn eine Zustellung vAw vorgesehen ist (BGH MDR 10, 885; BGHZ 188, 128 Rz 41 = NJW 11, 1965). Das gilt auch im umgekehrten Fall (Ddorf MDR 10, 652, 653; Zö/Schultzky Rz 3; Musielak/Voit/Wittschier Rz 2 mwN; str). Etwas anderes soll gelten, wenn der Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens bewusst nicht förmlich zugestellt worden ist; hier soll im Hinblick auf die materiell-rechtlichen Wirkungen (Hemmung der Verjährung, § 204 I Nr 7 BGB) eine Heilung nach § 189 möglich sein (BGHZ 188, 128 Rz 33 ff). Überzeugender erscheint indes eine dem Sinn und Zweck der Hemmungsvorschriften (vgl BGH aaO Rz 46) entsprechende Auslegung des § 204 I Nr 7 BGB (ebenso Eyinck MDR 11, 1389, 1394; Grothe NJW 11, 1970, 1971 [BGH 27.01.2011 - VII ZR 186/09]).

 

Rn 5b

Nach der neueren Rspr des BGH wird der Mangel der unterbliebenen Zustellung einer beglaubigten Abschrift einer Klageschrift durch die von der Geschäftsstelle des Gerichts veranlasste Übermittlung einer einfachen Abschrift dieses Schriftstücks gem § 189 geheilt (vgl BGHZ 208, 255 = NJW 16, 1517 Rz 17 ff; BGH NJW 17, 3721 Rz 17; NJW 19, 1374 Rz 13). Gleiches gilt, wenn statt einer beglaubigten Abschrift die einfache Abschrift einer Nachweisurkunde iSd § 750 II zugestellt wird (vgl BGH NJW 17, 411 Rz 21 ff., insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 212, 264; NJW 22, 1816 Rz 24). Voraussetzung einer Heilung nach § 189 ist allerdings, dass keine Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit des zuzustellenden Schriftstücks bestehen. Das ist jedenfalls bei einer Übermittlung der Urteilsabschrift an das beA des Rechtsanwalts der Partei anzunehmen (BGH NJW 22, 1816 [BGH 11.02.2022 - V ZR 15/21] Rz 34).

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