Gesetzestext

 

(1) 1Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet das Prozessgericht. 2Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) 1Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel oder durch Veröffentlichung der Benachrichtigung in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem, das im Gericht öffentlich zugänglich ist. 2Die Benachrichtigung muss erkennen lassen

1. die Person, für die zugestellt wird,
2. den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten,
3. das Datum, das Aktenzeichen des Schriftstücks und die Bezeichnung des Prozessgegenstandes sowie
4. die Stelle, wo das Schriftstück eingesehen werden kann.

3Die Benachrichtigung muss den Hinweis enthalten, dass ein Schriftstück öffentlich zugestellt wird und Fristen in Gang gesetzt werden können, nach deren Ablauf Rechtsverluste drohen können. 4Bei der Zustellung einer Ladung muss die Benachrichtigung den Hinweis enthalten, dass das Schriftstück eine Ladung zu einem Termin enthält, dessen Versäumung Rechtsnachteile zur Folge haben kann.

(3) In den Akten ist zu vermerken, wann die Benachrichtigung ausgehängt und wann sie abgenommen wurde.

A. Bewilligung (Abs 1).

I. Verfahren.

 

Rn 1

Für die Bewilligung ist das Prozessgericht zuständig, dh das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, für das Urt das Gericht, das dieses erlassen hat, und bei Rechtsmitteln das Rechtsmittelgericht. Das Vollstreckungsgericht wird erst nach der Titelzustellung (§ 750) zuständig. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist nicht Voraussetzung für eine öffentliche Zustellung (Köln MDR 03, 230). Es entscheidet das Gericht, nicht der Vorsitzende allein (Ausnahme Kammer für Handelssachen, vgl § 349 Rn 2); in ihm gem § 4 I RPflG übertragenen Sachen ist der Rechtspfleger zuständig. Bei von der Partei zu bewirkenden Zustellungen ist ein Antrag erforderlich, für den ggf Anwaltszwang besteht (§ 78; vgl Musielak/Voit/Wittschier Rz 2 mwN; MüKoZPO/Häublein/Müller Rz 3). Das Gericht entscheidet durch Beschluss (vgl § 329), der in jedem Fall zu begründen ist. Die Ablehnung ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar (§ 567 I Nr 2; gegen die Ablehnung einer öffentlichen Zustellung gem § 132 II BGB ist die Beschwerde nach FamFG eröffnet, Ddorf NZG 15, 1111), die Bewilligung nur mit dem Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung (Verletzung rechtlichen Gehörs). Eine öffentliche Zustellung ohne Bewilligung oder mit Bewilligung durch das unzuständige Gericht ist unwirksam.

 

Rn 2

Für die Bewilligung kann unter bestimmten Voraussetzungen auch der Gerichtsvollzieher zuständig sein, nämlich zur Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft (BGH NJW-RR 18, 503 [BGH 30.11.2017 - I ZB 5/17] Rz 12–14).

II. Voraussetzungen.

 

Rn 3

Über die Bewilligung entscheidet das Gericht vAw, wenn die Zustellung durch die Geschäftsstelle (vgl § 168) nicht durchführbar iSd § 185 ist (MüKoZPO/Häublein/Müller Rz 3). Die Bewilligung kann nur für den Einzelfall, dh für eine einzelne Zustellung (wenn auch mglw mehrerer Schriftstücke) ausgesprochen werden, nicht für den ganzen Rechtszug (BGH GRUR 19, 322 Rz 17). In einem laufenden Rechtsstreit kann es unter Berücksichtigung eines Zeitablaufs geboten sein, vor der erneuten Bewilligung einer öffentlichen Zustellung eines weiteren Schriftstücks erst einen erneuten Zustellversuch vorzunehmen (jedenfalls nach einem Zeitablauf von 6 Monaten: BGH GRUR 19, 322 [BGH 31.10.2018 - I ZR 20/18] Rz 17; BFH NVwZ-RR 04, 461, 462f [BFH 13.03.2003 - VII B 196/02]). Bei einer Ladung zur Vermögensauskunft kann es wegen der Tragweite, die dem Schuldner bei einem unentschuldigten Fernbleiben vom Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft droht, geboten sein, zu den bereits erfolgten Anfragen beim Einwohnermelde- und Gewerbeamt nach dem letzten bekannten Wohnsitz des Schuldners vor Bewilligung einer öffentlichen Zustellung weitere Versuche zur Anschriftenermittlung bei der Deutschen Rentenversicherung und dem KBA vorzunehmen (BGH DGVZ 22, 214 Ls). Bei Parteizustellungen muss der Zustellungsveranlasser die Erfolglosigkeit der notwendigen Ermittlungen nachweisen (§ 185 Rn 3). Auch bei Zustellungen im Amtsbetrieb trägt die Partei, die ein Interesse an der öffentlichen Zustellung hat, die Nachteile, die sich ergeben, wenn das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 185 nicht feststellen kann. Wenngleich das Gericht hier eine Ermittlungspflicht trifft, ist die Partei gehalten darzulegen, dass sie alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hat (BGH NJW 12, 3582 [BGH 04.07.2012 - XII ZR 94/10] Rz 16 f; NJW-RR 13, 307 Rz 16; Karlsr NJW-RR 13, 1471, 1472 [BGH 11.09.2013 - XII ZA 54/13]). Das Gericht entscheidet nach Ermessen (arg § 185: ›kann‹; Zö/Schultzky Rz 4 mwN; aA ThoPu/Hüßtege Rz 2; St/J/Roth Rz 13; MüKoZPO/Häublein/Müller Rz 4), ebenso über die ergänzenden Anordnungen gem §§ 187, 188 S 2. Liegen die Voraussetzungen des § 185 vor, verlangt der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz freilich idR die Bewilligung der öffentlichen Zustellu...

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