Gesetzestext

 

(1) Die für die Vollstreckung zuständige Behörde oder das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats setzt von Amts wegen oder auf Antrag der Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, oder, falls im nationalen Recht vorgesehen, auf Antrag des betroffenen Kindes das Vollstreckungsverfahren aus, wenn die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ausgesetzt worden ist.

(2) Die für die Vollstreckung zuständige Behörde oder das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats kann auf Antrag der Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, oder, falls im nationalen Recht vorgesehen, auf Antrag des betroffenen Kindes das Vollstreckungsverfahren aus einem der folgenden Gründe ganz oder teilweise aussetzen:

a) Im Ursprungsmitgliedstaat wurde ein ordentlicher Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt;
b) die Frist für einen ordentlichen Rechtsbehelf nach Buchstabe a ist noch nicht abgelaufen;
c) es wurde ein Antrag auf Versagung der Vollstreckung gemäß den Artikeln 41, 50 oder 57 gestellt;
d) die Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, hat gemäß Artikel 48 beantragt, eine Bescheinigung nach Artikel 47 zu widerrufen.

(3) Setzt die für die Vollstreckung zuständige Behörde oder das Gericht das Vollstreckungsverfahren aus dem in Absatz 2 Buchstabe b genannten Grund aus, so kann sie/es eine Frist bestimmen, innerhalb deren ein Rechtsbehelf einzulegen ist.

(4) In Ausnahmefällen kann die für die Vollstreckung zuständige Behörde oder das Gericht auf Antrag der Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, oder, falls im nationalen Recht vorgesehen, auf Antrag des betroffenen Kindes oder einer interessierten Partei, die im Interesse des Kindeswohls handelt, das Vollstreckungsverfahren aussetzen, wenn die Vollstreckung aufgrund – nach Ergehen der Entscheidung aufgetretener – vorübergehender Hindernisse oder anderer wesentlicher Änderungen der Umstände für das Kind die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens mit sich bringen würde. Die Vollstreckung wird wieder aufgenommen, sobald die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens nicht mehr besteht.

(5) Bevor die für die Vollstreckung zuständige Behörde oder das Gericht in den Fällen nach Absatz 4 die Vollstreckung gemäß Absatz 6 ablehnt, unternimmt sie geeignete Schritte, um die Vollstreckung im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren und dem Kindeswohl zu ermöglichen.

(6) Ist die in Absatz 4 genannte schwerwiegende Gefahr dauerhafter Art, so kann die für die Vollstreckung zuständige Behörde oder das Gericht auf Antrag die Vollstreckung der Entscheidung ablehnen.

 

Rn 1

Neu in die VO aufgenommen wurden Gründe für die Aussetzung und Ablehnung der Vollstreckung. Art 56 enthält erstmals Vorschriften über die Aussetzung der Zwangsvollstreckung nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Für privilegierte Entscheidungen iSv Art 42 I ist die Aussetzung in Art 44 vorgesehen (Vorlage eines Antrages wegen Unvereinbarkeit mit einer späteren Entscheidung sowie Antrag auf Widerruf der ausgestellten Bescheinigung). Angesichts der systematischen Stellung des Art 56 (Kap IV Abschn 3 Unterabschn 2: gemeinsame Bestimmungen zur Vollstreckung) ist davon auszugehen, dass auch privilegierte Entscheidungen nach Art 42 I umfasst sind (Gruber/Möller IPRax 20, 393, 398; Schulz FamRZ 20, 1141, 1146). Diese Annahme ist nicht zwingend. In Art 44 lit b findet sich ebenso wie in Art 56 II lit d die inhaltsgleiche Formulierung, wonach eine Aussetzung erfolgen kann, sofern gem Art 48 der Antrag gestellt wird, eine Bescheinigung nach Art 47 zu widerrufen. Aus der spezielleren Regelung des Art 44 kann auch der Schluss gezogen werden, wonach bei privilegierten Entscheidungen nur die Aussetzungsgründe dieses Art maßgeblich sind, zumindest ggü Art 56 I–III. Auf Titel nach dem HKÜ ist die Vorschrift nicht anwendbar, da sich die Vollstreckung nach nationalem Recht richtet (ThoPu/Hüßtege Art 56 Rz 1; aA Schweppe NZFam 22, 38).

 

Rn 2

Art 56 I sieht die Aussetzung der Vollstreckung vor, sofern im Ursprungsmitgliedstaat die Vollstreckbarkeit ausgesetzt worden ist. Ob die Aussetzung vAw oder auf Antrag zu erfolgen hat, bestimmt das nationale Recht, in Deutschland auf Antrag, § 44f I IntFamRVG. Eine Verpflichtung zur aktiven Ermittlung, ob die Vollstreckbarkeit ausgesetzt worden ist, besteht allerdings nicht (Erw 67 S 3). Art 56 II lit c ermöglicht weiterhin die Aussetzung, wenn ein Antrag auf Versagung der Vollstreckung gestellt ist. Nach Art 56 IV kann die Vollstreckung auch ausgesetzt werden, wenn nach Erlass der Entscheidung vorübergehende Hindernisse oder andere wesentliche Änderungen der Umstände auftreten, die das Kind einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens aussetzen würden. Die Formulierung entspricht Art 13 I lit b HKÜ; eine enge Auslegung ist daher angezeigt. Im Einzelfall kann allerdings eine zeitliche Abgrenzung des Entstehens eines ...

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