Rn 62

Diese kann nach Abs 4 für einen einzelnen Richter oder Spruchkörper hinsichtlich einer Sache, in der er tätig geworden ist, vom Präsidium angeordnet werden, wenn er nach neuem Geschäftsverteilungsplan in dieser Sache an sich nicht mehr zuständig wäre. Die Anordnung der Fortdauer dient der Effizienz der Rspr durch Wahrung der Kontinuität des gesetzlichen Richters, der in einer Sache tätig geworden ist. Abs 4 ist mit Art 101 I 2 GG problemlos zu vereinbaren, denn die Regelung besagt, dass der gesetzliche Richter der gesetzliche Richter auch dann bleibt, wenn durch eine neue Geschäftsverteilung zum Geschäftsjahreswechsels oder eine Änderung der Geschäftsverteilung nach Abs 3 der gesetzliche Richter an sich verfassungskonform entzogen werden darf. Abs 4 erlaubt also dem Präsidium, von seiner Befugnis zur Entziehung des gesetzlichen Richters in Bezug auf eine Sache, in der der gesetzliche Richter bereits tätig geworden ist, keinen Gebrauch zu machen. Insoweit dient Abs 4 dem Zweck, eine neue oder geänderte Geschäftsverteilung vom Verdacht der Manipulation freizuhalten (MüKoZPO/Pabst § 21e GVG Rz 54).

 

Rn 63

Die Wahrung der Kontinuität der Zuständigkeit des gesetzlichen Richters kann sich deshalb auch auf einzelne benannte Sachen oder – oft üblich in Strafsachen – auf alle Sachen beziehen, in denen der Richter oder Spruchkörper bereits tätig geworden ist. Streitig ist freilich, wann die Bedingung ›bereits tätig geworden‹ vorliegt. Mit Blick darauf, dass Abs 4 dem Gedanken der Kontinuität des einmal bestimmten gesetzlichen Richters optimal Rechnung trägt, wird unter ›tätig geworden‹ in weiter Auslegung jede einmal zulässig begonnene Befassung des gesetzlichen Richters von der Annahme der Zuständigkeit bis hin zu konkret feststellbaren Tätigkeiten (Terminierung, aber auch Hinweise) verstanden (BVerwG NJW 87, 2031; NJW 91, 1370 f; MüKoZPO/Pabst § 21e GVG Rz 54; krit BGH ZIP 09, 91 Rz 11; vgl Rn 32; sehr weit auslegend: BFH Beschl v 12.5.21 – IX B 74/20 –, der Tätigkeit in einem anderen Verfahren ausreichen lässt, wenn Sachzusammenhang besteht). Die subjektive Einschätzung des bisherigen Berichterstatters hinsichtlich des Stands der Bearbeitung eines bereits anhängigen Verfahrens ist jedoch kein abstraktes Kriterium, nach dem die Entscheidung über den Verbleib des Verfahrens beim bisherigen Berichterstatter oder den Übergang in ein anderes Dezernat getroffen werden kann (BVerwG NJW 20, 3333). Betrifft die Anordnung fortdauernder Zuständigkeit eine bestimmte Sache, so ist sie wegen des Jährlichkeitsprinzips aus Abs 1 jedenfalls jährlich ausdrücklich zu wiederholen, weil sie anderenfalls mit der Unwirksamkeit des auslaufenden Präsidiumsbeschlusses untergeht. Wird die Fortwirkungsanordnung (zumeist abstrakt in den allgemeinen Regelungen der Geschäftsverteilung) anhand abstrakter Merkmale der fortwirkenden Zuständigkeit bestimmt (etwa: an einem bestimmten Datum rechtshängig/anhängig gewordene Verfahren; auch: die einmal begründete Zuständigkeit), so ergibt sich die fortdauernde Zuständigkeit aus dem Geschäftsverteilungsplan so lange, wie diese generelle Klausel im jeweils geltenden Geschäftsverteilungsplan enthalten ist.

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