Gesetzestext

 

(1) 1Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. 2Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) 1Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. 2Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

A. Grundsätze der Rechtswegzuständigkeit.

I. Prozessrechtsreform 1991.

 

Rn 1

Seit der zum 1.1.91 in Kraft getretenen Neufassung der §§ 17 und 17a GVG und der Ergänzung des § 17b GVG durch Art 2 des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17.12.90 (BGBl I 2809, 2816) gelten für alle Gerichtsbarkeiten im Grundsatz die gleichen Bestimmungen für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs und über die Rechtswegverweisung. Ziele waren der Abbau von Streitigkeiten über den Rechtsweg und die Reduzierung damit verbundener Verzögerungen der Verfahren insb durch sog ›Rundverweisungen‹ und die bis dahin bestehende umfassende Befugnis von Instanzgerichten zur Prüfung der Rechtswegzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens. Die Vorfrage des zulässigen Rechtswegs soll nun in Zweifelsfällen möglichst frühzeitig und verbindlich geklärt werden. Das schließt hingegen eine im Einzelfall notwendige Beweisaufnahme zur Klärung der Rechtswegfrage nicht aus (BGH WM 10, 281). Bis zur Novellierung vorhandene Sonderregelungen in den einzelnen Prozessordnungen wurden aufgehoben. Das gilt insb für die bis dahin im Verhältnis der ordentlichen zur Arbeitsgerichtsbarkeit geltenden Sonderbestimmungen (§ 17 GVG aF, 48 ArbGG aF); seither ist dies uneingeschränkt ebenfalls eine Frage eigenständiger Rechtswege (BGH NJW 98, 909 [BGH 19.12.1996 - III ZB 105/96]; Hauck/Helml § 48 Rz 2). Die nach § 2 EGGVG zunächst nur die ordentliche Gerichtsbarkeit betr §§ 17 bis 17b GVG gelten für die übrigen Gerichtsbarkeiten aufgrund genereller Bezugnahmen (§§ 173 S 1 VwGO; 155 FGO; 202 SGG), tw aber mit besonderen Maßgaben (§ 48 I ArbGG).

II. Grenzen der Anwendbarkeit.

1. Rechtsweginterne Abgrenzungsfragen.

 

Rn 2

Rechtsweg in diesem Verständnis bedeutet Abgrenzung der Zuständigkeiten der einzelnen, grds gleichwertigen Gerichtsbarkeiten (Art 95 GG). Hierauf beschränkt sich der Anwendungsbereich der Vorschriften. Für sonstige Zuständigkeitszweifel etwa bei rechtsweginternen Abgrenzungsfragen zwischen allg und besonderen Spruchkörpern finden sie keine Anwendung. Allerdings sind die §§ 1717b GVG nach Ansicht des BGH im Verhältnis von streitiger ordentlicher Gerichtsbarkeit sowohl zu den Landwirtschaftsgerichten (grdl BGH AgrarR 00, 232; MDR 02, 1265) als auch im Verfahren nach § 23 EGGVG grds entspr anzuwenden (BGH NJW 03, 2989); in der Rspr ist allerdings nicht abschließend geklärt, ob die §§ 17 ff GVG speziell im Verhältnis zwischen dieser besonderen Zuweisung für die Anfechtung von JustizVAen und den sonstigen Zuständigkeiten innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit gelten (BGH NJW-RR 05, 142 [BGH 29.07.2004 - III ZB 2/04]). Mit dem durch Art 22 des FGG-RG v 17.12.08 (BGBl I 08, 2586, 2694) zum 1.9.09 eingefügten § 17a VI GVG hat der Bundesgesetzgeber die entspr Anwendbarkeit der Bestimmungen betr die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs (§ 17a I–V GVG) für das interne Verhältnis zwischen str ordentlicher Gerichtsbarkeit, freiwilliger Gerichtsbarkeit und den Familiengerichten klargestellt.

2. Verhältnis zur Verfassungsgerichtsbarkeit und zur kirchlichen Gerichtsbarkeit.

 

Rn 3

Die §§ 17 ff GVG gelten nicht im Verhältnis zu den Verfassungsgerichten (OVG Bln/Bbg NStZ-RR 12, 55 [OVG Berlin-Brandenburg 26.09.2011 - OVG 3a B 5.11]; OVG Koblenz Beschl v 20.10.00 – 11 C 11303/00; OVG Lüneburg NdsVBl 97, 208). Die Bestimmungen setzen eine konkurrierende Rechtswegzuständigkeit voraus und die Formulierung in § 90 II BVerfGG verdeutlicht, dass es sich insoweit nicht um einen Rechtsweg iS des einfachen Prozessrechts handelt. Insbes ist kein Raum für Rechtswegverweisungen (OVG Lüneburg NdsVBl 97, 208; DVBl 08, 871) und Bindungswirkungen nach § 17a V GVG (VGH München NVwZ 91, 699). Es widerspricht der Stellung der Verfassungsgerichte als Verfassungsorgane, infolge der Verweisung des Rechtsstreits durch ein Fachgericht Bindungen zu unterliegen und unter Umständen Fragen des einfachen Rechts entscheiden zu müssen (BVerwG ZOV 12, 297, BVerwGE 109, 1, 8).

Ebenso wenig regeln die §§ 17 bis 17b das Verhältnis der staatlichen Gerichtsbarkeit zu den von einer Kirche im Rahmen ihrer Selbstbestimmung (Art. 140 GG, Art. 137 WRV) errichteten Kirchengerichten (BAG Beschl v 15.6.17 – 7 AZB 56/16 – juris; BVerwGE 95, 379).

B. Anknüpfung an den Streitgegenstand.

I. Grundsätze.

 

Rn 4

Maßgebliche Grundlage für die Anwendung der §§ 17 bis 17b GVG ist die Identität des vom Kl bestimmten, aus dem mit dem Antrag geltend gemachten materiellen Anspruch und dem zu dessen Individualisierung vorgetragenen Sachverhalt bestehenden Streitgegenstands. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antrag durch einen oder mehrere materiell-rechtliche Ansprüche begründet wird (VGH München NVwZ-RR 04, 224). Für jeden Klageantrag, mit dem ein neuer prozessualer Streitgegens...

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