Rn 2

Die Vollstreckung von Entscheidungen über die Herausgabe einer Person oder die Regelung des Umgangs kann einstweilen eingestellt werden, wenn einer der in Abs 1 S 1 genannten Fälle vorliegt.

 

Rn 3

Für die Nr 1 ist erforderlich, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 17–19 gestellt wurde. Dieser kommt in Betracht, wenn jemand ohne sein Verschulden daran gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Zu beachten ist allerdings, dass nach § 93 I 1 Nr 3 nur die Einlegung der Beschwerde (§§ 58 ff), nicht aber die Einlegung der Rechtsbeschwerde (§§ 70 ff) das Gericht zur einstweiligen Einstellung der Vollstreckung ermächtigt. Konsequenterweise wird daher auch nur ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der sich auf die Versäumung der Frist für die Beschwerde (§ 63) bezieht, von § 93 I 1 Nr 1 erfasst, nicht aber ein Antrag, der die Versäumung der Frist für die Rechtsbeschwerde (§ 71 I 1) geltend macht. Anderenfalls stünde der Verpflichtete hinsichtlich der Einstellungsmöglichkeiten bei einer verfristeten Rechtsbeschwerde besser als bei einer rechtzeitig eingelegten (BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 3). Zuständig, auch für die Entscheidung über die Einstellung der Vollstreckung, ist nach § 19 das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen war.

 

Rn 4

Nach Nr 2 kann das Gericht eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung auch anordnen, wenn eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 48 II beantragt wurde. Das für das Wiederaufnahmeverfahren zuständige Gericht (§ 584 ZPO) entscheidet auch über die Einstellung der Vollstreckung.

 

Rn 5

Gleiches gilt nach Nr 3, wenn eine Beschwerde nach §§ 58 ff eingelegt wurde. Die Beschwerde muss zumindest statthaft, sie braucht aber nicht zulässig zu sein (Keidel/Giers Rz 4). Eine Unzulässigkeit der Beschwerde berücksichtigt das Gericht allerdings im Rahmen seiner Ermessensprüfung. Die Beschwerde muss auch bereits eingelegt worden sein. Ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens genügt nicht (MüKoFamFG/Zimmermann Rz 9). Zuständig für den Beschluss nach § 93 I 1 ist ebenfalls das Beschwerdegericht. Ein Antrag auf Berichtigung der Bescheinigung nach Art 42 II Brüssel IIa-VO genügt indes nicht, um eine Einstellung der Vollstreckung zu ermöglichen. Dies ergibt sich daraus, dass die Vollstreckbarkeitserklärung nach Art 42 II Brüssel IIa-VO vom Gericht des vollstreckenden Mitgliedsstaates inhaltlich nicht zu prüfen ist. So lange die Vollstreckbarkeitserklärung Bestand hat, ist das Vollstreckungsverfahren zu betreiben (Bambg BeckRS 22, 25427).

 

Rn 6

Nach Nr 4 ist eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung auch dann möglich, wenn eine Abänderung der zu vollstreckenden Entscheidung nach § 48 I beantragt wurde. Auch hier muss der Antrag bereits gestellt worden sein, wobei die Vorschrift auch für Abänderungsverfahren einschlägig ist, die vAw eingeleitet werden (Celle FamRZ 12, 798; Frankf FamRZ 21, 198). Für Rückführungsanträge nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen s Hamm FamRZ 21, 1990. Zuständig für die Einstellungsentscheidung ist das Gericht, das auch für die Abänderungsentscheidung zuständig ist. Ein Umkehrschluss zu Nr 4 ergibt ferner, dass die ursprüngliche Regelung bis zum Erlass der gerichtlichen Abänderungsentscheidung, auch während des Abänderungsverfahrens, grds vollstreckbar bleibt (BGH FamRZ 12, 533; Jena FamRZ 21, 628).

 

Rn 7

Schließlich ermöglicht auch ein Antrag auf Durchführung eines Vermittlungsverfahrens nach § 165 dem Gericht, die Zwangsvollstreckung nach § 93 I 1 Nr 5 einstweilen einzustellen. Das Vermittlungsverfahren ist nach § 92 III keine Voraussetzung für die Anordnung von Zwangsmitteln und kann auch noch durchgeführt werden, wenn bereits eine rechtskräftige Entscheidung über das Umgangsrecht vorliegt. Über § 93 I 1 Nr 5 kann das Vermittlungsverfahren aber doch Einfluss auf die Vollstreckung nehmen. Die Zuständigkeit für die Anordnung der Einstellung der Vollstreckung liegt bei dem Gericht, das nach § 152 für das Vermittlungsverfahren zuständig ist.

 

Rn 8

Neben den gesetzlich geregelten Fällen kann das Gericht eine Einstellung der Vollstreckung richtigerweise auch dann anordnen, wenn eine Anhörungsrüge nach § 44 erhoben wurde (BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 8). Auch in einer solchen Situation besteht nämlich die Gefahr, dass möglicherweise ein fehlerhaft zustande gekommener und daher unrichtiger Titel vollstreckt wird. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Vollstreckung liegt bei dem Gericht, das auch für die Entscheidung über die Gehörsrüge zuständig ist.

 

Rn 8a

Ebenso ist eine Einstellung der Vollstreckung von Ordnungsmitteln möglich, wenn sich zum Zeitpunkt der Vollstreckung herausstellt, dass die Grundlage für den durchzusetzenden Titel entfallen ist. Grds gilt zwar, dass im Vollstreckungsverfahren eine Prüfung der zu vollstreckenden Entscheidung nicht mehr stattfindet. Wenn jedoch eindeutige Indikatoren vorliegen, die den Rückschluss zulass...

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