Gesetzestext

 

(1) Das Gericht hat darauf hinzuwirken, dass die Beteiligten sich rechtzeitig über alle erheblichen Tatsachen erklären und ungenügende tatsächliche Angaben ergänzen. Es hat die Beteiligten auf einen rechtlichen Gesichtspunkt hinzuweisen, wenn es ihn anders beurteilt als die Beteiligten und seine Entscheidung darauf stützen will.

(2) In Antragsverfahren hat das Gericht auch darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt und sachdienliche Anträge gestellt werden.

(3) Hinweise nach dieser Vorschrift hat das Gericht so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen.

(4) Über Termine und persönliche Anhörungen hat das Gericht einen Vermerk zu fertigen; für die Niederschrift des Vermerks kann ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle hinzugezogen werden, wenn dies auf Grund des zu erwartenden Umfangs des Vermerks, in Anbetracht der Schwierigkeit der Sache oder aus einem sonstigen wichtigen Grund erforderlich ist. In den Vermerk sind die wesentlichen Vorgänge des Termins und der persönlichen Anhörung aufzunehmen. Über den Versuch einer gütlichen Einigung vor einem Güterichter nach § 36 Absatz 5 wird ein Vermerk nur angefertigt, wenn alle Beteiligten sich einverstanden erklären. 4Die Herstellung durch Aufzeichnung auf Datenträger in der Form des § 14 Abs. 3 ist möglich.

A. Normzweck.

 

Rn 1

§ 28 regelt zentrale Grundsätze der Verfahrensleitung durch das Gericht. Die Norm ist § 139 ZPO nachgebildet und verpflichtet das Gericht zu Hinweisen an die Beteiligten sowie zum Hinwirken auf einen zügigen und sachdienlichen Verfahrensfortgang. Die Norm zeigt, dass der Gesetzgeber dem Gericht eine Fürsorgepflicht und Mitverantwortung für ein faires, willkürfreies und möglichst auf die Wahrheitsermittlung ausgerichtetes Verfahren zuweist. Die Norm ist Ausdruck der starken Richtermacht.

B. Grundsatz der Verfahrensleitung (Abs 1, 2).

 

Rn 2

Aus Abs 1 iVm § 27 I folgt, dass das Gericht die Befugnis sowie die Pflicht hat, die Beteiligten generell oder in Einzelbereichen zum Sachvortrag aufzufordern. Das Gericht kann seine Aufforderung mit einer Fristsetzung verbinden. Im Einzelnen umfasst die richterliche Hinweispflicht alle erheblichen Tatsachen. Es ist also auf Lücken im Sachvortrag hinzuweisen und eine Ergänzung anzuregen. Ein unschlüssiger Sachvortrag von Beteiligten ist zu beanstanden. Auf widersprüchliches Vorbringen im Sachverhalt muss das Gericht hinweisen. Soweit Beteiligte unsubstanziiert vortragen, muss das Gericht eine weitergehende Substantiierung verlangen. Soweit offensichtlich Falsches vorgetragen wird, muss das Gericht dies beanstanden.

 

Rn 3

Darüber hinaus verlangt Abs 1 S 2 in gleicher Weise, dass das Gericht Überraschungsentscheidungen vermeidet. Ein nach Abs 1 S 2 erforderlicher Hinweis auf rechtliche Gesichtspunkte setzt voraus, dass die Beteiligten rechtliche Äußerungen getan haben. Ferner setzt ein solcher Hinweis voraus, dass das Gericht von einer rechtlichen Auffassung ausgeht, die von keiner der Beteiligten in diesem Zusammenhang vertreten worden ist.

 

Rn 4

Nach Abs 2 muss das Gericht im Antragsverfahren auch auf Formfehler hinweisen und die Stellung sachdienlicher Anträge verlangen. Im Einzelnen bedarf es eines Hinweises, wenn eine bestimmte Formvorschrift nicht eingehalten ist, wenn die Unterschrift unter einem bestimmenden Schriftsatz fehlt oder unleserlich ist, wenn notwendige Elemente eines Schriftsatzes fehlen (Antragsschrift ohne Antrag) oder wenn andere formale Mängel zu beanstanden sind.

 

Rn 5

Es gibt allerdings im Antragsverfahren Grenzen für richterliche Hinweise. So darf das Gericht nicht darauf hinweisen, dass ein völlig neuer Sachverhaltskomplex, der außerhalb des bisherigen Verfahrensgegenstandes liegt, in das Verfahren eingebracht werden könne. Das Gericht darf nicht auf denkbare und völlig neue Einwendungen oder Einreden hinweisen. Das Gericht darf nicht die Beteiligten anregen, durch eine Veränderung der materiellen Rechtslage dem Verfahren eine neue Richtung zu geben. Insb darf das Gericht nicht darauf hinweisen, dass die Einrede der Verjährung erhoben werden könne. Dagegen trägt das Gericht im Amtsverfahren die Gesamtverantwortung nicht nur für die Tatsachenermittlung, sondern auch für die zutreffende Herausarbeitung des Verfahrensgegenstandes. Aufgrund des Fehlens eines Antrags der Beteiligten kann sich also die richterliche Verpflichtung nicht im Rahmen von Anträgen begrenzen lassen.

C. Zeitpunkt und Form der Verfahrensleitung (Abs 3, 4).

 

Rn 6

Bereits Abs 1 verlangt ein Hinwirken des Gerichts darauf, dass sich die Beteiligten ›rechtzeitig‹ erklären. Dies wird in Abs 3 dadurch konkretisiert, dass gerichtliche Hinweise ›so früh wie möglich‹ zu erteilen sind. Im Einzelnen bedeutet dies, dass unabhängig von der Verfahrenssituation und von der Mündlichkeit oder Schriftlichkeit des konkreten Verfahrensabschnitts das Gericht immer sofort dann Hinweise an die Beteiligten erteilen muss, wenn sich ein konkreter Anlass ergibt. Enthält also eine Antragsschrift Lücken, unsubstanziierte Behauptungen, fehlerhafte Anträge oder eine widersprüchliche Darstellung, hat das Gericht dies sogleich zu beanstanden. Es darf nicht erst...

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