Zusammenfassung

 

Art. 58 Brüssel Ia-VO(1) Öffentliche Urkunden, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, sind in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Die Zwangsvollstreckung aus der öffentlichen Urkunde kann nur versagt werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Mitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde.

Die Vorschriften des Kapitels III Abschnitt 2, des Abschnitts 3 Unterabschnitt 2 und des Abschnitts 4 sind auf öffentlichen Urkunden sinngemäß anzuwenden.

(2) Die vorgelegte öffentliche Urkunde muss die Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllen, die im Ursprungsmitgliedstaat erforderlich sind.

A. Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Voraussetzung für das Eingreifen der Norm ist zunächst die Eröffnung des Anwendungsbereichs der EuGVO in zeitlicher (Art 80f) sowie in sachlicher Hinsicht (Art 1 I, II) mit Blick auf das beurkundete Recht (HK-ZPO/Dörner Rz 1; für eine weitergehende Erstreckung auch auf die nach Art 1 II a ausgeschlossenen Gegenstände Geimer/Schütze/Geimer Rz 24). Art 27 EuVTVO (iVm Art 80 S 2) räumt dem Gläubiger ein Wahlrecht ein, ob er nach Art 25 EuVTVO oder nach der EuGVO vorgehen will.

B. Öffentliche Urkunde.

I. Begriff.

 

Rn 2

Der Terminus der öffentlichen Urkunde ist verordnungsautonom in Art 2 lit c legaldefiniert. Notarielle Urkunden aus den sechs Gründungsstaaten dürften diese Vorgaben regelmäßig erfüllen (Gebauer/Wiedmann/Gebauer/Berner Rz 2; vertiefend Kropholler/v Hein Rz 3).

II. Ausfertigung in Mitgliedstaat.

 

Rn 3

Die Wendung ›Ursprungsmitgliedstaat‹ (Art 2 lit d) impliziert, dass die Urkunde in einem Mitgliedstaat aufgenommen worden sein muss. Maßstab ist der Ausstellungsort; Wohnsitze und Staatsangehörigkeiten der Beteiligten sind unmaßgeblich (ThoPu/Hüßtege Rz 3). Mit Blick auf Dänemark vgl Art 81 Rz 1.

III. Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat.

 

Rn 4

Die Frage nach der Vollstreckbarkeit der Urkunde unterliegt dem Recht des Ursprungstaates. Dort muss ohne Weiteres Vollstreckung möglich sein. Dem genügt nach deutschem Recht der Anwaltsvergleich nicht, solange keine Vollstreckbarerklärung nach §§ 796a ff ZPO erfolgt ist (MüKoZPO/Gottwald Rz 11; Musielak/Lackmann Rz 1).

IV. Beweiskraft im Ursprungsmitgliedstaat.

 

Rn 5

Hinsichtlich der erforderlichen Beweiskraft iSv Abs 3 ist das Recht des Ursprungsmitgliedstaates zu befragen. Für Deutschland vgl § 415 ZPO.

C. Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat.

I. Vollstreckung aus der ausländischen öffentlichen Urkunde.

 

Rn 6

Mit der Neufassung der EuGVO ist das Erfordernis einer Vollstreckbarerklärung im ersuchten Mitgliedstaat aufgegeben worden. Die ausländische öffentliche Urkunde ist Vollstreckungstitel. Auf die Vollstreckung hieraus sind gemäß Abs 1 UnterAbs 2 die Art 39–44, 46–55 sinngemäß anwendbar. Der Vollstreckungsgläubiger hat der Vollstreckungsbehörde neben einer nach dem Maßstab des Errichtungsstaates beweiskräftigen Ausfertigung der Urkunde (Abs 1 UAbs 2 iVm Art 42 I lit a) auch die Bescheinigung iSv Art 60 (Abs 1 UAbs 2 iVm Art 42 I lit b) vorzulegen.

II. Einwendungen des Schuldners.

 

Rn 7

Abs 1 UnterAbs 2 nimmt auf Art 46 Bezug, der seinerseits mit dem Verweis auf die Versagungsgründe des Art 45 den Einwand des Ordre-Public-Verstoßes unter Vorbehalt eines Antrags des Schuldners auf Versagung der Zwangsvollstreckung stellt. Die übrigen Versagungsgründe des Art 45 werden hingegen durch Abs 1 UnterAbs 1 S 2 ausgeschlossen. Insbesondere die internationale Beurkundungszuständigkeit kann nicht kontrolliert werden (HK-ZPO-Dörner Rz 19; Kropholler/v Hein Rz 12). Gleichwohl werden hierdurch nicht die Einwände ausgeschlossen, dass es sich nicht um eine öffentliche Urkunde handele oder dass diese nicht im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sei oder dass die Bescheinigung nach Art 60 nicht vorliege (vgl auch Rauscher/Staudinger Rz 18).

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