Das Wichtigste in Kürze:

1. Die mit einer wörtlichen Protokollierung nach § 273 Abs. 3 zusammenhängenden Fragen sind in der Praxis von erheblicher Bedeutung.
2. Die wörtliche Protokollierung kommt nach § 273 Abs. 3 in Betracht, wenn es auf die Feststellung eines Vorgangs in der HV oder den Wortlaut einer Aussage oder Äußerung ankommt.
3. Der Verteidiger muss einen Protokollierungsantrag stellen. In diesem muss die zu protokollierende Tatsache genau bezeichnet und im Einzelnen dargelegt werden, warum eine vollständige Niederschreibung nach seiner Ansicht notwendig ist.
4. Auch Prozesserklärungen sind ggf. wörtlich in das Protokoll aufzunehmen.
 

Rdn 2548

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Wörtliche Protokollierung von Zeugenaussagen, PA 2002, 28

Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, 2005

Gerst, Das unterschätzte Verteidigungsmittel in der Hauptverhandlung – Protokollierungsanträge gemäß § 273 Abs. 3 Satz 1 StPO, StRR 2012, 324

Klemke, Festschreibung von Sachverhalten in der Hauptverhandlung – Protokollierungsanträge, affirmative Beweisanträge pp., StraFo 2013, 107

Krekeler, Wehret auch den "kleinen" Anfängen oder § 273 Abs. 3 Satz 2 StPO muss bleiben, AnwBl. 1984, 417

ders., Wörtliche Protokollierung, PStR 2003, 37

Meyer-Mews, Das Wortprotokoll in der strafrechtlichen Hauptverhandlung, NJW 2002, 102

Richter II, Wider die Gegenreform, StV 1994, 454

Sailer, Inhaltsprotokoll und rechtliches Gehör, NJW 1977, 24

Schlothauer, Unvollständige und unzutreffende tatrichterliche Urteilsfeststellungen, StV 1992, 134

Schmid, Die wörtliche Protokollierung einer Aussage in der Hauptverhandlung, NJW 1981, 1353

Senge, Missbräuchliche Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten – wesentliches Merkmal der Konfliktverteidigung? Abwehr der Konfliktverteidigung, NStZ 2002, 225

Ulsenheimer, Die Verletzung der Protokollierungspflicht im Strafprozeß und ihre revisionsrechtliche Bedeutung, NJW 1980, 2273

s.a. die Hinw. bei → Protokoll der Hauptverhandlung, Allgemeines, Teil P Rdn 2522.

 

Rdn 2549

 

1. Hinweis für den Verteidiger!

Die mit einer wörtlichen Protokollierung nach § 273 Abs. 3 zusammenhängenden Fragen sind in der ­Praxis von erheblicher Bedeutung. Häufig gibt es gerade um diese Fragen Streit in der HV. Verteidiger, die die entsprechenden Anträge stellen, setzen sich wegen der aus einer wörtlichen Protokollierung folgenden Verzögerung im Verfahrensfortgang nicht selten dem Vorwurf der "Konfliktverteidigung" aus (dazu Senge NStZ 2002, 229; zum Missbrauch auch Fahl, S. 602 ff.). Dem ist m.E. entgegenzuhalten, dass das Recht auf eine wörtliche Protokollierung natürlich – wie jedes Recht – (auch) missbräuchlich ausgeübt werden kann, aber nicht jeder Antrag auf wörtliche Protokollierung Missbrauch ist (s.a. Fahl, a.a.O.). Denn der Angeklagte und sein Verteidiger haben im Strafverfahren nur wenige Möglichkeiten, in der Revision die vom Tatrichter getroffenen tatsächlichen Feststellungen anzugreifen. Vielmehr sind sie daran, ebenso wie der Revisionsrichter selbst, gebunden, da eine Wiederholung bzw. Ergänzung der Beweisaufnahme – mit möglicherweise anderem Ergebnis – durch das Revisionsgericht ausgeschlossen ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 337 Rn 13 m.w.N. aus der Rspr.). Die Urteilsfeststellungen können über die Beweisaufnahme auch nicht mit Verfahrensrügen nach §§ 244 Abs. 2, 261 angegriffen werden ­(Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; → Revision, Begründung, Allgemeines, Teil R Rdn 2681 m.w.N.). Eine Chance, gegen die Urteilsfeststellungen anzukämpfen, haben Verteidiger und Angeklagter nur, wenn sie den ­Gegenbeweis ohne Rekonstruktion der HV erbringen können (vgl. u.a. BGH NStZ 1997, 296). Und genau an dieser Stelle liegt der praktische Nutzen der Vorschrift des § 273 Abs. 3 bzw. des danach zulässigen Antrags auf wörtliche Protokollierung. Denn ist im Sitzungsprotokoll der Inhalt einer Aussage nach § 273 Abs. 3 wörtlich protokolliert, kann ggf. später ohne Rekonstruktion der HV der Gegenbeweis gegen Urteilsfeststellungen erbracht werden (BGHSt 38, 14; s.a. Malek, Rn 666 [Mittel der Sachverhaltsfestschreibung]; Klemke StraFo 2013, 107, 109 zur "Festschreibung der Einlassung" des Angeklagten durch einen Protokollierungsantrag), auf ein bloßes Inhaltsprotokoll nach § 273 Abs. 2 lässt sich hingegen die Revision nicht stützen (BayObLG NStZ 1990, 508; zur Begründung der Verfahrensrüge, dass eine teilweise protokollierte Aussage im Urteil nicht erörtert worden ist, BGH NStZ 2002, 496; eingehend zu den mit § 273 Abs. 3 S. 1 zusammenhängenden Fragen Gerst StRR 2012, 324 ff.).

 

Rdn 2550

2.a) Die wörtliche Protokollierung kommt nach § 273 Abs. 3 in Betracht, wenn es auf die Feststellung eines Vorgangs in der HV oder den Wortlaut einer Aussage oder Äußerung ankommt. Nach Meyer-Mews (NJW 2000, 103) ist, wenn Maßnahmen zum Zeugenschutz ergriffen werden, z.B. nach § 247 (→ Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung, Teil E Rdn 1736), und bei sog. Aussage-gegen-Aussage-Verfahren darüber hinaus immer ein Wortprotokoll erforderlich und auf Antrag des V...

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