Leitsatz (amtlich)

Die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Schwerbehinderten trifft diesen nur als Dritten, so daß er nicht mit Erfolg jede formelle und materielle Rechtswidrigkeit geltend machen kann.

Die Bestimmung über die zweiwöchige Frist, die dem Arbeitgeber für die Stellung eines Antrages auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung verbleibt, hat grundsätzlich drittschützende Wirkung.

Die drittschützende Wirkung kann im Einzelfall bei anderweitiger Zweckerfüllung der Fristbestimmung entfallen.

Die Hauptfürsorgestelle hat nicht über die Wirksamkeit der (außerordentlichen) Kündigung zu urteilen. Das gilt nicht, wenn für die Kündigung offensichtlich kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

 

Normenkette

VwGO § 113 Abs. 1 S. 1; SchwbG § 21 Abs. 2, 4

 

Verfahrensgang

VG Düsseldorf (Aktenzeichen 17 K 2089/87)

 

Tatbestand

Der Kläger ist zu 50 % schwerbehindert und steht im Dienst der Beigeladenen als Schulhausmeister.

Die Beigeladene beantragte unter dem 31.7.1986 beim Beklagten die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers wegen Unregelmäßigkeiten im Dienst.

Der Kläger befand sich in der Zeit vom 1.–25.8.1986 unerreichbar im Urlaub. Der Sachbearbeiter der Hauptfürsorgestelle beim Beklagten riet der Beigeladenen im Hinblick darauf, daß der Kläger aufgrund seiner Urlaubsabwesenheit nicht innerhalb der zweiwöchigen Entscheidungsfrist von der Hauptfürsorgestelle angehört werden könnte, den Antrag zurückzuziehen, um ihn nach der Rückkehr des Klägers erneut zu stellen. Daraufhin teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 19.8.1986 dem Beklagten mit, daß sie den Antrag zurücknehme und ihn erneut stellen werde, wenn der Kläger aus dem Urlaub zurückgekehrt sei.

Nachdem die Beigeladene dem Kläger am 25.8.1986 ihre Kündigungsabsicht mitgeteilt hatte, stellte sie unter dem 29.8.1986 erneut den Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers. Der Antrag ging am 2.9.1986 bei dem Beklagten ein.

Dieser erteilte die Zustimmung.

Daraufhin kündigte der Beigeladene das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.

Widerspruch und Klage gegen den Zustimmungsbescheid blieben ebenso ohne Erfolg wie die Berufung des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Das VG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Allerdings ist seine Begründung nicht frei von rechtlichen Bedenken.

Der Erfolg der Anfechtungsklage setzt nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO voraus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Hier ist der Zustimmungsbescheid verfahrensfehlerhaft zustande gekommen (nachfolgend 1.), es kann aber offen bleiben, ob der Mangel beachtlich ist (nachfolgend 2.); zwar könnte sich solchenfalls ein Schwerbehinderter grundsätzlich auf diesen Fehler berufen (nachfolgend 3.), aber vorliegend wirkt sich der Mangel nicht drittbelastend aus (nachfolgend 4.). Die Zustimmung ist im übrigen fehlerfrei (nachfolgend 5.).

1. Das VG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der zu 50 % in seiner Erwerbsfähigkeit geminderte Kläger dem Kündigungsschutz der §§ 1, 15 und 21 SchwbG unterliegt. Hiernach bedarf die außerordentliche Kündigung eines Schwerbehinderten der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Dazu ist ein schriftlicher Antrag erforderlich, der gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 SchwbG innerhalb von zwei Wochen bei der Hauptfürsorgestelle eingegangen sein muß. Die Frist beginnt nach Satz 2 dieser Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Der (erste) Antrag vom 1.8.1986 war von der Beigeladenen am 21.8.1986 zurückgenommen worden, so daß er nicht zu dem Verwaltungsverfahren gehört, das hier Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist. Dieser Antrag hat zwar bewirkt, daß mit Ablauf des Montags, des 18.8.1986, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 21 Abs. 3 Satz 2 SchwbG als erteilt galt, weil der Beklagte den bis dahin noch anhängigen Antrag nicht beschieden hatte. Aber diese Fiktion ist nicht Teil des Streitgegenstandes, um den es hier geht, und hat auch auf den Ausgang des Berufungsverfahrens – wie die weitere Darlegung noch zeigen wird – keinen Einfluß.

Den (zweiten) Antrag vom 2.9.1986 hat die Beigeladene zu spät gestellt. Die Ausschlußfrist war zu der Zeit abgelaufen. Sie hatte spätestens am 1.8.1986 begonnen. Zu diesem Tage lagen der Beigeladenen die für die außerordentliche Kündigung des Klägers maßgebenden Umstände offen zu Tage (wird ausgeführt). Der Beginn der Ausschlußfrist des § 21 Abs. 2 Satz 1 SchwbG hängt nicht davon ab, daß der Schwerbehinderte von der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorher Kenntnis erlangt hat. Die Information des Schwerbehinderten über die Rechtsfolgen der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen gehört nicht zu den maßgebenden Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift. Folglich hat die Anhörung des. Klägers am 25.8.1986 auf den Fristbeginn keinen Einfluß gehabt.

Der Beginn der Frist steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Das belegt bereits...

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