Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 1.440 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung VwGO) nicht vorliegt. Kein tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.

Die Beklagte stützt ihren Zulassungsantrag in erster Linie auf die während des Antragsverfahrens in Kraft getretene Änderungssatzung vom 18. Oktober 2010, mit der die Zweitwohnungssteuersatzung rückwirkend zum 1. Januar 2005 geändert wurde. Nach § 2 Abs. 6 der Zweitwohnungssteuersatzung i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 16. Dezember 2005 waren vom Begriff der steuerpflichtigen Zweitwohnung ausgenommen “aus beruflichen Gründen gehaltene Wohnungen eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten bzw. Lebenspartners, dessen eheliche bzw. lebenspartnerschaftliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet”. Diese Regelung wurde durch Änderungssatzung vom 19. Dezember 2008 mit Wirkung vom 1. Januar 2009 im hier relevanten Zusammenhang dahin verschärft, dass die genannten Zweitwohnungen nur dann steuerfrei sein sollten, wenn sich der Zweitwohnungsinhaber überwiegend im Stadtgebiet aufhält. Mit der hier in Rede stehenden, während des Antragsverfahrens in Kraft getretenen Satzung vom 18. Oktober 2010 wurde die Geltung der vorgenannten Satzungsverschärfung rückwirkend auf den Zeitraum bis zum 1. Januar 2005 erstreckt.

Mit der Ursprungsregelung vom 16. Dezember 2005 wurde einerseits der sich aus Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Verpflichtung Rechnung getragen, Eheleute nicht wegen einer eherechtlichen Sonderregelung des Melderechts zu diskriminieren. Hauptwohnung eines verheirateten Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie lebt, ist nämlich die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie (§ 12 Abs. 2 Satz 2 des Melderechtsrahmengesetzes sowie § 16 Abs. 2 Satz 2 des Meldegesetzes NRW). Auch wenn der Einwohner also die Zweitwohnung vorwiegend benutzt, kann sie wegen der genannten melderechtlichen Bestimmung – anders als bei Unverheirateten nicht wegen der überwiegenden Benutzung Hauptwohnung sein. Dieser Zwang für Ehepaare zur Innehabung einer vorwiegend benutzten Wohnung als steuerpflichtiger Zweitwohnung verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2005 1 BvR 1232/00 u.a., BVerfGE 114, 316.

Über diesen verfassungsrechtlich gebotenen Inhalt hinaus begünstigte die Satzungsregelung jedwede aus beruflichen Gründen gehaltene Zweitwohnung eines Verheirateten, dessen eheliche Wohnung außerhalb L… lag. Diese Regelung war wirksam.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2011 14 A 585/11, NRWE Rn. 12 ff.

Der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG verwehrt es dem Normgeber grundsätzlich nicht, sie gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen.

BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2009 – 1 BvR 1164/07 , BVerfGE 124, 199 (225 f.).

Daher war der Rat der Beklagten befugt, das eheliche Leben im Gegensatz zum Leben Unverheirateter generell von der zweitwohnungssteuerlichen Belastung durch eine beruflich gehaltene Zweitwohnung freizustellen, wenn die Ehegatten außerhalb L… leben, also auch dann, wenn der Zweitwohnungsinhaber die Zweitwohnung nicht überwiegend benutzte und daher seine eheliche Wohnung wie bei einem Unverheirateten Hauptwohnung wegen der dortigen überwiegenden Benutzung war. Unmaßgeblich ist, ob der Wille der an der Satzungsänderung vom 16. Dezember 2005 Beteiligten darauf gerichtet war, allein das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot in der Zweitwohnungssteuersatzung umzusetzen und nicht darüber hinaus generell Ehe und Lebenspartnerschaft zu fördern.

Für den Inhalt einer das Gericht bindenden Norm kommt es auf den in ihr zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Normgebers an, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 (157).

Materialien der Normsetzung, hier der Satzung, sollen mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden, als sie auf einen objektiven Norminhalt schließen lassen. Der sogenannte Wille des Normgebers bzw. der am Normerlassverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der normgebenden Instanzen dem objektiven Norminhalt gleichzusetzen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Februar 1983 2 BvE 1 4/83 , BVerfGE 62, 1 (45); OVG NRW, Urteil vom 15. September 2004 15 A 4544/02, NRWE Rn. 25 ff.

Nach di...

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