Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe: Beiordnung eines Rechtsanwalts im Umgangsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Nach dem seit 1.9.2009 geltenden neuen Recht sind für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen eines Umgangsverfahrens nicht allein die objektiven Kriterien des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache maßgebend. Vielmehr kommt es auch subjektiv darauf an, ob die Beteiligten nach ihrer Vorbildung, geistigen Befähigung sowie ihrer Schreib- und Redegewandtheit in der Lage sind, ihr Rechtsanliegen schriftlich oder mündlich ohne Gefahr einer eigenen Rechtsbeeinträchtigung vor Gericht zu vertreten.

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2, § 111 Nr. 2, § 114 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bad Dürkheim (Aktenzeichen 2 F 157/09)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss geändert:

Der Antragsgegnerin wird die von ihr ausgewählte Rechtsanwältin H., B., beigeordnet.

II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (Nr. 1912 des KostVerz. zu § 3 Abs. 2 FamGKG); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

 

Gründe

Die gem. § 76 Abs. 2 FamFG statthafte sofortige Beschwerde, über die der Senat gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 568 Satz 2 ZPO in seiner im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 76 Abs. 2 FamRG i.V.m. § 569 ZPO) und hat auch in der Sache Erfolg.

Entgegen der vom Familiengericht vertretenen Auffassung ist der Antragsgegnerin die von ihr ausgewählte Rechtsanwältin zu ihrer Vertretung beizuordnen.

1. In Familiensachen des § 111 Nr. 2 FamFG (Kindschaftssachen), zu denen auch Verfahren gehören, die das Umgangsrecht betreffen (§ 151 Nr. 2 FamFG), ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben (§ 114 Abs. 1 FamFG).

Die Beiordnung eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwaltes im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat daher gem. § 78 Abs. 2 FamFG nur zu erfolgen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGH FamRZ 2009, 857).

Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird auch nach der Zivilprozessordnung an das Kriterium der Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt geknüpft (§ 121 Abs. 2 ZPO). Die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können daher auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Beiordnung im Rahmen bewilligter Verfahrenskostenhilfe für Verfahren nach dem zum 1.9.2009 in Kraft getretenen Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) herangezogen werden.

Bei der Frage der Erforderlichkeit einer Beiordnung ist zu beachten, dass Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gebietet (BVerfG FamRZ 2004, 1013).

Eine Beiordnung wird daher regelmäßig dann geboten sein, wenn auch eine bemittelte Partei vernünftiger Weise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätte (BVerfG FamRZ 2002, 531 und NJW-RR 2007, 1713; BGH, a.a.O., S. 858).

Dabei sind nicht nur (objektiv) Umfang und Schwierigkeit der Sache von Bedeutung. Vielmehr kommt es auch (subjektiv) darauf an, ob Parteien und Beteiligte nach ihrer Vorbildung, geistigen Befähigung, Schreib- und Redegewandtheit in der Lage sind, ihr Rechtsanliegen dem Gericht schriftlich oder mündlich ausreichend und ohne Gefahr einer eigenen Rechtsbeeinträchtigung darzustellen (BVerfG, a.a.O.; BGH FamRZ 2003, 1547 und 1921).

Soweit nach der amtlichen Begründung zu § 78 Abs. 2 FamFG (BT-Drucks. 16/6308 S. 214) die Erforderlichkeit einer Beiordnung nur nach objektiven Kriterien beurteilt werden soll, vermag der Senat dem nicht beizutreten. Dies entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, nach denen eine mittellose Partei nicht schlechter gestellt werden darf als eine Partei, welche die Kosten des Rechtsstreits selbst aufbringen kann (BVerfG, a.a.O.; so auch Senat, Beschl. v. 9.11.2009 - 2 WF 211/09 - und OLG Celle, Beschl. v. 11.11.2009 - 17 WF 131/09 -, jeweils zitiert nach juris; Keidel/Zimmermann, FamFG, § 78 Rz. 4; Musielak/Borth, FamFG, § 78 Rz. 4; Bumiller/Haders, FamFG, § 78 Rz. 3; a.A. MünchKomm/Viefhues, FamFG, § 78 Rz. 4).

Die Beiordnung darf auch nicht durch die pauschale Bezugnahme auf den Amtsermittlungsgrundsatz versagt werden (BVerfG, a.a.O.).

Als Vertreter des Verfahrensbeteiligten hat ein Rechtsanwalt andere Aufgaben wahrzunehmen als der Richter. Der Grundsatz der Amtsermittlung enthebt die Beteiligten nicht von ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung an der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes. Insbesondere in Antragsverfahren sind von den Beteiligten die Tatsachen vorzubringen, die ihr Rechtsschutzziel stützen, weil d...

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