Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in versäumte Berufungsfrist nach teilweiser Bewilligung von Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einlegung der Berufung setzt nicht voraus, dass der Berufungsführer den Umfang der begehrten Aufhebung des angefochtenen Urteils bereits bei Einlegung des Rechtsmittels bestimmt. Es genügt, dass das Rechtsmittel überhaupt eingelegt werden kann und der Umfang der Anfechtung (später) mit der Berufungsbegründung festgelegt wird. Das durch Mittellosigkeit begründete Hindernis an der rechtzeitigen Einlegung der Berufung entfällt deshalb schon mit der teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Anschluss an OLG Zweibrücken - Beschl. v. 28.7.2005 - 6 UF 110/04, MDR 2006, 413 = OLGReport Zweibrücken 2005, 843).

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 234 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, §§ 517, 519, 522 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Ludwigshafen (Urteil vom 20.03.2006; Aktenzeichen 5b F 462/05)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG - FamG - Ludwigshafen am Rhein vom 20.3.2006 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.913 EUR festgesetzt.

IV. Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom 11.9.2006 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt in Anspruch. Mit Urteil vom 30.3.2006 hat das AG - FamG - Ludwigshafen am Rhein der Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt zum Teil entsprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 10.4.2006 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 9.5.2006, eingegangen am 10.5.2006 hat die Klägerin Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines beabsichtigten Berufungsverfahrens beantragt. Der Senat hat der Klägerin daraufhin durch Beschluss vom 18.8.2006 die begehrte Prozesskostenhilfe zum Teil bewilligt und im Übrigen versagt. Der Beschluss enthielt in seinem bewilligenden Teil insoweit ein offensichtliches Schreibversehen, als die monatliche Höhe des Trennungsunterhalts, zu dessen Geltendmachung der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt wurde, für die Zeit von Februar 2005 bis Juni 2006 mit monatlich 147 EUR und daneben für die Zeit ab Juli 2005 mit monatlich 63 EUR angegeben war. Der Beschluss des Senats vom 18.8.2006 ist der Klägerin am 25.8.2006 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 8.9.2006 hat die Klägerin gegen den Beschluss vom 18.8.2006 Gegenvorstellung erhoben. Daraufhin hat der Senat durch Beschluss vom 11.9.2006 den Beschluss vom 18.8.2006 gem. § 319 ZPO dahin berichtigt, dass die als Endzeitpunkt für die Geltendmachung einer monatlichen Trennungsunterhaltsrate von 147 EUR angegebene Monatsbezeichnung "Juni 2006" durch die Bezeichnung "Juni 2005" ersetzt wurde. Im Übrigen hat der Senat einen Anlass zur Änderung des Beschlusses vom 18.8.2006 verneint. Der Beschluss vom 11.9.2006 ist der Klägerin am 15.9.2006 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 20.9.2006, eingegangen am selben Tag, hat die Klägerin gegen das Urteil vom 30.3.2006 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel begründet. Zugleich hat sie gegen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II. Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO eingelegt worden. Das angefochtene Urteil ist der Klägerin am 10.4.2006 zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels ist somit mit dem 10.5.2006 abgelaufen. Die Berufung der Klägerin ist aber erst am 20.9.2006 beim Pfälzischen OLG Zweibrücken eingegangen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Klägerin für die Einlegung der Berufung nicht bewilligt werden. Gemäß §§ 233, 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann, wenn die Berufungsfrist versäumt wurde, innerhalb einer Frist von zwei Wochen gestellt werden. Die Frist beginnt gem. § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Wegfall des Hindernisses.

Das Hindernis an der Einlegung des Rechtsmittels lag für die Klägerin in dem durch ihre Bedürftigkeit begründeten Unvermögen, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme der fristwahrenden Prozesshandlung zu beauftragen (Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl., § 233 Rz. 23 " Prozesskostenhilfe" m.w.N.). Dieses Hindernis ist durch den Beschluss des Senats vom 18.8.2006 entfallen, mit dem der Klägerin teilweise Prozesskostenhilfe zur Durchführung der beabsichtigten Berufung bewilligt wurde. Mit der Zustellung dieses Beschlusses am 25.8.2006 ist der Klägerin der Wegfall des Hindernisses an einer rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels bekannt geworden. Dadurch wurde die Frist zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Lauf gesetzt. Sie endete mit Ablauf des 8.9.2006. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist aber erst am 20.9.2006 und damit nach Fristablauf beim Pfälzischen OLG Zweibrücken eingegangen.

Der Umstand, dass der Senat seinen Prozesskostenhilfebeschluss vom ...

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