Leitsatz (amtlich)

Wird das durch ein Stauwehr aufgestaute Flusswasser von jeweils einer Stromerzeugungseinheit auf jeder Flussseite zur Stromerzeugung genutzt, liegt eine einheitliche Anlage gem. § 3 Abs. 1 EEG in der Fassung ab 1.7.2010 vor, weil das Stauwehr Teil beider Stromerzeugungseinheiten ist und sie dadurch zu einer Anlage verklammert. Der Neubau der einen Stromerzeugungseinheit mit erstmals hergestellter Fischaufstiegshilfe stellt somit die Erweiterung und Modernisierung der bestehenden Anlage dar, so dass sich die Einspeisevergütung nach § 23 Abs. 2 EEG richtet.

 

Normenkette

EEG §§ 3, 23

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 29.09.2011; Aktenzeichen 12 O 174/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 29.9.2011 (12 O 174/11) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Berufungsstreitwert: 5.566 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt Zahlung einer erhöhten Einspeisevergütung von 12,67 Cent/kWh zzgl. MwSt. gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EEG in der Fassung vom 1.7.2010 (i f. "EEG").

Die Klägerin betreibt in O. am K. ein Wasserkraftwerk. Die bestehende Altanlage entnimmt ankommendes Wasser linksseitig vor der Wehranlage. Die Klägerin baute eine weitere Wasserentnahme auf der rechten Flussseite im direkten Anschluss an die Wehranlage mit eigenem neuem Zufluss, neuer Turbine und neuem Generator mit einer Leistung von ca. 88 kW. In diesem Zuge errichtete die Klägerin auch eine Fischaufstiegshilfe als ökologische Verbesserung auf der rechten Flussseite. Die Entfernung zwischen der alten und der neuen Stromerzeugungseinheit beträgt ca. 150 m Luftlinie. Die neue Stromerzeugungseinheit ging am 19.7.2010 in Betrieb und produzierte bis einschließlich 23.4.2011 477.775 kWh Strom, der ins Netz der Beklagten eingespeist wurde. Die Beklagte rechnete für diese Strom gem. § 23 Abs. 2 EEG 11,67 Cent/kWh zzgl. MwSt. ab. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil es sich bei dem Wehr und den beiden Energieerzeugungseinheiten um eine einheitliche Anlage i.S.d. § 3 EEG handele, so dass der höhere Vergütungsansatz des § 23 Abs. 1 EEG nicht anzuwenden sei. Nach § 3 Nr. 1 EEG sei eine Anlage jede Einrichtung zur Erzeugung von Strom. Der Vergleich zum EEG vom 1.8.2004 (i f. "EEG (2004)"), wo eine Anlage noch "jede selbständige technische Einrichtung" sei, zeige, dass der Gesetzgeber das Kriterium der selbständigen technischen Einrichtung aufgegeben habe. Er sehe jetzt alles, was technisch und baulich erforderlich sei, um Strom zu erzeugen, als Gesamtheit einer Anlage an. Hier sei zur Stromerzeugung neben der Wasserabführung und der Generatoren auch das Wehr zum Aufstauen des Flusses für die Stromerzeugung zwingend notwendig. An dieses Wehr seien zwei Erzeugungseinheiten angeschlossen. Da das Wehr für die Stromerzeugung für beide Erzeugungseinheiten notwendig sei, sei der Neubau der zweiten Erzeugungseinheit als Modernisierung der Gesamtanlage einzustufen und nicht getrennt als neue Anlage. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, die Anlage befinde sich auf einem eigenen, speziell hierfür von der Gemeinde O. neu erworbenen Grundstücks, welches mit dem Gelände des bestehenden linksseitigen und ca. 600 m entfernten Wasserkraftwerkes in keinem Zusammenhang stehe. Das linksseitige Kraftwerk sei nicht mit dem neu erbauten Werk betriebsbedingt verbunden. In zweiter Instanz trägt die Klägerin vor, die Wehranlage sei nicht modernisiert worden, nachdem sie in der Klage vorgetragen hatte, dass sie die Wehranlage saniert habe, was aber ein Irrtum gewesen sei.

Das streitgegenständliche Wasserkraftwerk sei als Neuerrichtung anzusehen, die nach dem 1.1.2009 in Betrieb gegangen sei, so dass ein Anspruch der Klägerin auf die volle Vergütung nach § 23 Abs. 1 EEG bestehe. Die Feststellung des LG, wonach § 3 Nr. 1 EEG jetzt alles, was technisch und baulich erforderlich sei, um Strom zu erzeugen, als Gesamtheit einer Anlage ansehe, sei weder unter historischen, systematischen oder teleologischen Gesichtspunkten haltbar.

Bei der Wehranlage handele es sich nicht um eine Staumauer i.S.d. Gesetzesbegründung. Dort sei ein Absperrwerk gemeint, wie etwa eine Talsperre, bei welchen sich das Kraftwerk zumeist unmittelbar an der Anlage selbst befinde. Dagegen handele es sich vorliegend um eine Wehranlage mit einer Stauhaltung im Fluss K. Aus dieser Stauhaltung würden die beiden Wasserkraftwerke das Wasser über jeweils eigene, mehrere hundert Meter lange Zulaufkanäle und aus jeweils eigenen Entnahme...

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