Leitsatz (amtlich)

Bei der Rückabwicklung von nach dem Policenmodell geschlossenen, aber wirksam widerrufenen Verträgen über eine fondsgebundene Lebensversicherung steht das europarechtliche Effektivitätsgebot im Falle eines erheblichen und nicht nur geringen Verlustes oder auch im Falle eines Totalverlustes der Sparanteile der Prämien einer Berufung des Versicherers auf die sich nach nationalem Recht ergebende Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) nicht entgegen.

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Aktenzeichen 1 O 161/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Schluss-Urteil des Landgerichts Ravensburg - 1 O 161/16 - vom 10.02.2017

abgeändert:

1. Die Beklagte wird - über das Teil-Anerkenntnis-Urteil des Landgerichts Ravensburg - 1 O 161/16 - vom 08.12.2016 hinaus - verurteilt, an den Kläger Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.128,82 Euro seit dem 19.04.2016 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird

zurückgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 Prozent des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v.120 Prozent des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v.120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert II. Instanz: bis 59.000 Euro.

 

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte, eine liechtensteinische Versicherungsgesellschaft, Ansprüche aufgrund bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung einer im Jahr 2005 abgeschlossenen fondsgebundenen Lebensversicherung, in die er eine Einmalprämie i.H.v. 75.000 Euro eingezahlt hat, aufgrund eines im Jahr 2016 erklärten Widerspruchs geltend.

Für den Fonds wurde im Jahr 2009 die Liquidation eingeleitet, die im Mai 2010 abgeschlossen wurde. Im April 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Policenguthaben nicht mehr vorhanden sei, nachdem sie ihm im April 2005 - kurz nach Policierung - ein Fondsguthaben i.H.v. 74.602,60 Euro bestätigt hatte.

Der Kläger hat in erster Instanz geltend gemacht, ihm stehe ein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. und daraus folgend ein Anspruch auf Rückzahlung der gesamten eingezahlten Prämie zu, dies abzüglich von Risikokosten, die lediglich 5.000 Euro betragen hätten. Er sei - was unstreitig geblieben ist - fehlerhaft über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Die Fondsverluste seien allein von der Beklagten zu tragen; andernfalls würde das Widerspruchsrecht entwertet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei eine Entwertung nur dann nicht anzunehmen, wenn die Verluste lediglich einen geringen Teil der Sparanteile ausmachten. Ihm seien daher höchstens 10 Prozent der angefallenen Verluste zuzurechnen. Der Kläger hat daher in erster Instanz, nachdem die Beklagte den Anspruch i.H.v. 5.128,82 Euro (Abschlusskosten i.H.v. 3.695,14 Euro und Verwaltungskosten i.H.v. 1.433,68 Euro) anerkannt hatte (GA I 31, 34, 41) und ein Teil-Anerkenntnis-Urteil vom 08.12.2016 (GA I 49 ff.) ergangen war - die Zahlung von 57.871,18 Euro nebst Zinsen aus 63.000 Euro (75.000 Euro abzüglich 5.000 Euro abzüglich 7.000 Euro [i.e. 10 Prozent Verlust aus 70.000 Euro]) seit dem 15.03.2016 sowie die Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.085,95 Euro nebst Zinsen seit dem 19.04.2016 begehrt. Dem ist die Beklagte, die die Abweisung der Klage begehrt hat, entgegengetreten. Sie hat in erster Instanz die Ansicht vertreten, das Verlustrisiko sei dem Kläger zuzuweisen, so dass ein Anspruch nicht bestehe.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien in erster Instanz wird auf die vor dem Landgericht gewechselten Schriftsätze und den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die über das Anerkenntnis der Beklagten hinausgehende Klage mit Schluss-Urteil vom 10.02.2017 abgewiesen, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe über das Teil-Anerkenntnis-Urteil hinaus ein weitergehender Betrag nicht zu. Insoweit könne sich die Beklagte auf den Einwand der Entreicherung berufen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die er mit Schriftsatz vom 21.03.2017, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, begründet hat (GA II 78 ff.). Er macht weiterhin geltend, dass erhebliche Fondsverluste bei Widerspruch von der Versicherungsgesellschaft und nicht von ihm als Versicherungsnehmer zu tragen seien.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 10.02.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Ravensburg die Beklagte zu verurteilen, an...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge