Leitsatz (amtlich)

Der Versicherer sagt in § 4 Abs. 6 Satz 2 MB/KK 94 auch Kostenerstattung für solche medizinisch notwendigen Behandlungsmethoden zu, die angewandt werden, weil im konkreten Krankheitsfall keine schulmedizinische Methode zur Verfügung steht. Eine Einschränkung auf Behandlungen lebensbedrohlicher, sonst inkurabler Krankheiten kann der Vertragsklausel nicht entnommen werden. (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2009 - 7 U 60/09)

 

Normenkette

MB/KK 94 § 4 Abs. 6 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 27.02.2009; Aktenzeichen 22 O 379/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Streithelfers wird das Urteil des LG Stuttgart vom 27.2.2009 - 22 O 379/06 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.230,72 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 987,96 EUR seit 18.11.2005 und aus 242,76 EUR seit 29.10.2009 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten der Nebenintervention trägt die Beklagte 18 %, der Streithelfer 82 %. Von übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 82 %, die Beklagte 18 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.875,92 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Leistungen aus einer Krankheitskostenzusatzversicherung in Anspruch.

Der Kläger hat bei der Beklagten eine Krankheitskosten-Versicherung nach dem Tarif CG 2 abgeschlossen, welche u.a. die Kosten einer privatärztlichen Behandlung umfasst. Dem Versicherungsvertrag lagen als Allgemeine Versicherungsbedingungen auch die Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 94) zugrunde.

Der Kläger stellte unter Vorlage eines Schreibens des Streithelfers vom 7.4.2005 (Anl. K 1, Bl. 5) bei der Beklagten einen Kostenübernahmeantrag für die Durchführung einer kurzzeitigen stationären interventionellen Schmerztherapie für ca. 4 Tage.

Unter Angabe diverser Diagnosen ist in dem Schreiben aufgeführt, dass beim Kläger seit längerer Zeit therapierefraktäre lumbalgi- sowie lumboischialgiforme Beschwerden vorlägen und dass bereits diverse Therapien und Behandlungen durchgeführt worden seien, welche zwar eine gewisse Beschwerdelinderung jedoch keine anhaltende Beschwerderemission erzielen konnten. Der Streithelfer empfiehlt in diesem Schreiben zur Verhinderung einer weiteren Chronifizierung des Schmerzgeschehens sowie zur Abwendung einer operativen offenen Intervention die Durchführung einer kurzzeitigen stationären Schmerztherapie. Es wird angegeben, dass während der stationären Behandlung gezielte bildwandlergestützte Facetten- und Wurzelinfiltrationen und diagnostische Blockaden unter Bildwandlerkontrolle mit Kontrastmittelgabe zur Anwendung kämen.

Mit Schreiben vom 22.4.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass für den geplanten stationären Krankenhausaufenthalt die tariflichen Versicherungsleistungen bezahlt werden. Es wurde zusätzlich darauf hingewiesen, dass nach diesem Tarif Krankenversicherungsschutz bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung besteht. Außerdem wird angegeben, dass die Beklagte bei ihrer Kostenzusage davon ausgeht, dass die Honorierung nach den allgemeinen Grundsätzen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und den daraus resultierenden Bestimmungen erfolge.

Vom 29.5.2005 bis 3.6.2005 befand sich der Kläger dann in stationärer Behandlung beim Streithelfer. In dieser Zeit wurden folgende Behandlungen durchgeführt:

Zunächst ist am 30.5.2005 eine minimalinvasive epidurale Neurolyse und Neuroplastik der Lendenwirbelsäule (Kathetermethode nach der Racz-Technik) vorgenommen worden. Hierbei erfolgt das Einschieben eines Kathetersystems durch den natürlichen Eingang des Wirbelkanals am Steißbeinende oder durch ein Nervenaustrittsloch der gesunden Seite in den Wirbelkanal. Danach wurde mehrfach ein Gemisch eingespritzt, das üblicherweise aus einem Enzym, Kortison, Kochsalz und einem Lokalanästhetikum besteht. Diese Einspritzungen erfolgten am 30. und 31.5.2005 jeweils zwei Mal und noch einmal am 1.6.2005.

Darüber hinaus erfolgte am 30.5.2005 eine minimalinvasive perkutane selektive Thermokoagulation bei fünf Facettengelenken der Lendenwirbelsäule sowie dem Iliosacralgelenk.

Am 1.6.2005 hat der Streithelfer eine perkutane nonendoskopische Laserdiskusnukleotomie mit Diskographie an den Bandscheiben durchgeführt.

Für diese Behandlungen stellte der Streithelfer dem Kläger am 8.6.2005 einen Betrag von 6.875,92 EUR in Rechnung (Anl. K 3 Bl. 7-13 d.A.). Die Beklagten haben die Erstattung dieser Kosten mit Schreiben vom 2.11.2005 abgelehnt.

Die Parteien streiten über die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten Behandlungen.

Das LG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die...

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