Leitsatz (amtlich)

1. Die Geltendmachung der Invalidität gem. § 7 I AUB 94 kann in Ausnahmefällen auch bereits in einer zeitnah erstatteten Unfallanzeige liegen, wenn in ihr Verletzungsfolgen genannt sind, die notwendiger Weise zu einer Invalidität führen. Werden Ganzkörperverbrennungen

2. Zur Bemessung der Funktionseinschränkungen bei schweren Brandverletzungen.

3. Grades mitgeteilt, muss dies auch als Geltendmachung von Invalidität angesehen werden.

 

Normenkette

AUB 94 § 7 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hechingen (Urteil vom 22.08.2008; Aktenzeichen 1 O 304/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Hechingen vom 22.8.2008 (1 O 304/07) abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 56.320 EUR zzgl. Verzugszinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.1.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger oder der Nebenintervenient vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 56.320 EUR.

 

Gründe

A. Der Kläger verlangt eine Invaliditätsentschädigung aus einer privaten Unfallversicherung.

Bei der Beklagten bestand zugunsten des Klägers eine Unfallversicherung, die über den Streithelfer als Vermittler abgeschlossen worden war. Ursprünglicher Versicherer war die D. H. A. V. AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Dem Versicherungsverhältnis lagen die AUB 94 zugrunde. Die vereinbarte Invaliditätssumme belief sich auf 25.600 EUR mit progressiver Invaliditätsstaffel (Progression DHA 500 %).

Am 25.8.2005 hatte der Kläger einen Arbeitsunfall. Bei Reinigungsarbeiten in einer Werkstattgrube entzündete sich ein Reinigungsmittel. Es kam zu einer Verpuffung bzw. Explosion, bei der der Kläger Feuer fing. Er konnte von herbeigeeilten Mitarbeitern zwar gelöscht werden, erlitt aber schwere Verbrennungen. Betroffen waren die Beine, die Arme, der Hals und das Gesicht. Nach dem Unfall befand sich der Kläger längere Zeit - jedenfalls bis 25.11.2005 - in stationärer Behandlung. Am 8.10.2005 übersandte seine Lebensgefährtin eine Unfallanzeige an den Versicherer, in der bei den Unfallfolgen mitgeteilt wurde, dass "Ganzkörperverbrennungen dritten Grades" vorliegen. Beigefügt war ein Zeitungsartikel über das Unfallereignis. Streitig ist, ob dem Kläger danach ein Schreiben des Versicherers vom 27.10.2005 zuging, in dem auf einzuhaltende Fristen hingewiesen wurde. Am 12.12.2006 wurde die genannte Unfallanzeige nochmals übersandt. Daraufhin meldete sich die Beklagte und lehnte eine Invaliditätsleistung wegen Fristversäumung ab.

Der Kläger hat Klage auf Feststellung erhoben, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm für seine Verletzungen aus dem Unfall Invaliditätsleistungen zu erbringen. Hilfsweise hat er die Zahlung von 47.360 EUR verlangt, wobei neben der Leistung wegen einer Invalidität von 70 % (46.080 EUR) in erster Instanz noch mitversicherte Kosten einer kosmetischen Operation (1.280 EUR) geltend gemacht wurden. Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Invalidität sei entgegen den Versicherungsbedingungen nicht innerhalb von 15 Monaten geltend gemacht worden. Die Unfallanzeige, der die eingetretene Invalidität nicht deutlich zu entnehmen sei, genüge hierfür nicht. Ihrer Hinweispflicht sei die Beklagte nachgekommen, da es nicht auf den Zugang, sondern nur auf das Absenden des Hinweisschreibens vom 27.10.2005 ankomme.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er ist der Auffassung, die Mitteilung einer Ganzkörperverbrennung dritten Grades sei für die Geltendmachung der Invalidität ausreichend. Hinsichtlich der notwendigen Belehrung durch die Beklagte komme es auf den Zugang des Hinweisschreibens an. Außerdem macht der Kläger nunmehr geltend, dass entsprechend dem in erster Instanz vom LG eingeholten Sachverständigengutachten beim Kläger eine Gesamtinvalidität von 80 % vorliege.

Der Kläger hat in der Berufung zunächst an seinem Feststellungsantrag festgehalten und den Hilfsantrag - entsprechend der höheren Gesamtinvalidität - auf 56.320 erhöht. Hinsichtlich der Operationskosten hat er die abweisende Entscheidung des LG nicht angefochten. In der mündlichen Verhandlung am 19.2.2009 ist er von der Feststellungsklage auf die Leistungsklage übergegangen, ein Hilfsantrag wurde nicht mehr gestellt. Der Streithelfer ist im Berufungsverfahren auf der Seite des Klägers dem Rechtsstreit beigetreten.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 22.8.2008 verkündeten Urteils des LG Hechingen, Az.: 1 O 304/07, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 56.320 EUR zzgl. Verzugszinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.1.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, die Unfa...

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