Verfahrensgang

AG Nagold (Aktenzeichen C 378/78)

LG Tübingen (Aktenzeichen 1 S 194/79)

 

Tenor

1. Bei der Vermietung von Wohnraum an Ausländer ist ein Zuschlag zur ortsüblichen Vergleichsmiete, der mit der Eigenschaft der Mieter als Ausländer begründet ist, unzulässig.

2. Ob eine nicht unwesentliche Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete i.S. des § 5 Absatz 1 Satz 2 Wirtschaftsstrafgesetz vorliegt, beurteilt sich bei ausländischen Mietern nach den gleichen Kriterien wie bei deutschen Mietern.

3. Bei der Beurteilung, ob ein Entgelt i.S. des § 5 Absatz 1 Satz 2 Wirtschaftsstrafgesetz unangemessen hoch ist, sind die Grundmiete und das Entgelt für Nebenleistungen zusammenzurechnen.

 

Tatbestand

I.

Das Landgericht Tübingen hat durch Beschluß vom 22. Juli 1981 nach Artikel III des Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 21.12.1967 (BGBl. I, Seite 1248), in der Fassung des Gesetzes vom 5.6.1980 (BGBl. I, Seite 657), die folgenden Fragen zum Rechtsentscheid vorgelegt:

  1. Von welchem Prozentsatz an sind Abweichungen von der ortsüblichen Vergleichsmiete (ggf. aa) grundsätzlich und bb) bei Vermietung von Wohnraum an Ausländer als wesentliche Überhöhung im Sinne von § 5 Wirtschaftsstrafgesetz anzusehen (sog. Erheblichkeitsgrenze)?
  2. Kommt (ggf. unter welchen Voraussetzungen) bei Vermietung von Wohnraum an Ausländer ein (Risiko-)Zuschlag zur ortsüblichen Miete in Betracht?
  3. Ist bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichs miete gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen daß die vom Vermieter erhobenen Nebenkosten nicht kostendeckend sind?
 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Vorlage der Frage, von welchem Prozentsatz an Abweichungen von der ortsüblichen Vergleichsmiete als wesentliche Übersteigung i.S. des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz anzusehen sind, ist unzulässig.

Der Senat hat hierüber bereits durch Rechtsentscheid vom 7. Juli 1981 (8 REMiet 1/81, NJW 1981, Seite 2365 = Die Justiz 1981, Seite 360) entschieden und ausgesprochen, daß eine Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete von mehr als 20 Prozent nicht unwesentlich i.S. des § 5 Absatz 1 Satz 2 Wirt Schafts Strafgesetz ist. Ein erneuter Rechtsentscheid kann hierüber durch den Senat nicht mehr ergehen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluß vom 22.9.1981, 3 REMiet 5/81).

2. Bei der Vermietung von Wohnraum an Ausländer kommt ein auf die Eigenschaft der Mieter als Ausländer gestützter Zuschlag zur ortsüblichen Vergleichsmiete nicht in Betracht.

Der Begriff der „üblichen Entgelte” in § 5 Absatz 1 Satz 2 Wirtschaftsstrafgesetz ist bezogen auf die Vermietung von Bäumen vergleichbarer Art, Große, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen (vgl. zum gleichartigen Begriff in § 2 Absatz 1 Nummer 2 MHRG: BayObLG NJW 1981, Seite 1219 – VuM 1981, Seite 100). Die vom Gesetz vorgegebenen, für die Bemessung maßgeblichen Kriterien sind somit sachlicher Art und betreffen das Mietobjekt selbst beziehungsweise die Örtlichkeit, in der es sich befindet.

Eine Anknüpfung an die Person des Mieters ist im Gesetz nicht vorgesehen und wird auch vom Sinn und Zweck des Gesetzes nicht getragen.

Dem § 5 Wirtschaftsstrafgesetz korrespondiert die Vorschrift des § 2 MHRG. In beiden Vorschriften wird auf die ortsübliche Vergleichsmiete abgestellt. Damit soll dem Vermieter ein angemessener, marktorientierter Ertrag garantiert werden, zugleich aber der Mieter vor – Mangellagen des Marktes ausnützenden – überhöhten Mietzinsforderungen geschützt werden (vgl. zum Gesetzeszweck: Staudinger/Emmerich, BGB 12. Aufl. 1981, § 2 MHRG, Rdn. 3, m.w.N.). Die Grundvorstellung des Gesetzgebers hierbei war, daß sich der Mietzins am Markt nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage am Wohnwert der Wohnung ausrichtet (Staudinger/Emmerich, a.a.O., Rdn. 4; vgl. Ipsen, Wohnungen und Mieten, Analysen zur Auswirkung des Wohnraumkündigungsschutzgesetzes, Archiv für Kommunalwissenschaften, 1976, Seite 262). Daraus resultiert der in den Rechtsvorschriften aufgeführte Katalog von Vergleichskriterien.

Der konkrete Wohnungsmarkt ist jedoch weitaus komplexer. Bedingt durch nicht nur ökonomische, sondern auch soziale Faktoren hat er die Tendenz zur Bildung von – gegenwärtig zumeist überteuerten – Teilmärkten (vgl. hierzu Ipsen a.a.O.; in der von ihm analysierten empirischen Untersuchung im Stadtgebiet Mannheim wurde zum Beispiel festgestellt, daß sich beim Quadratmeterpreis für einfache und schlechte Wohnungen erheblich die Nationalität des Mieters auswirkt (Seite 271), gewissermaßen bei Wohnungen der unteren Klassen ein – teurer – Teilmarkt für Ausländer besteht; vgl. auch Staudinger/Emmerich, a.a.O., Rdn. 6; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze 4. Aufl. 1981, C 58 und 59).

Im Hinblick auf dieses Spannungsverhältnis zwischen Wohnwert und konkretem Markt wird die Auffassung vertreten, daß der Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht ausschließlich empirisch-statistischer Art ist, sondern auch normative Komponenten enthält (Staudinger/Emmerich, a.a.O., Rdn. 26, 26 a; MüKo-Voelskow, BG...

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