Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietforderung und Nutzungsentschädigung

 

Verfahrensgang

AG Nürtingen (Aktenzeichen 11 C 1162/79)

LG Stuttgart (Aktenzeichen 13 S 139/80)

 

Tenor

1. Eine Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 20 % ist nicht unwesentlich i.S. des § 5 Abs. 1 S. 2 Wi.S.tG.

2. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist konkret für die fragliche Wohnung festzustellen.

3. Behebbare Mängel der Mietsache sind bei Bestimmung der Miethöhe nicht zu berücksichtigen.

4. Liegt eine wesentliche Mietpreisüberschreitung vor, so ist die Vereinbarung nichtig, soweit der Mietzins die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigt.

 

Gründe

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 17.12.1980 gemäß Artikel III des Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 21.12.1967 (BGBl. I S. 1248), geändert durch Gesetz vom 5.6.1980 (BGBl. I S. 657) die folgenden Prägen zum Rechtsentscheid vorgelegt:

  1. Sind behebbare Mängel des vermieteten Wohnraumes bei der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Wi.S.tG zu berücksichtigen?
  2. Wie hoch – ausgedrückt in Prozenten der ortsüblichen Vergleichsmiete – liegt die Wesentlichkeitsgrenze i.S. von § 5 Wi.S.tG, bei deren Überschreitung eine unzulässige Mieterhöhung anzunehmen ist?

    Ist der Ausgangswert für die Berechnung der Wesentlichkeitsgrenze die durch Sachverständigengutachten ermittelte Vergleichsmiete oder der Höchstwert einer Bandbreite abstrakt vergleichbarer Wohnungen?

  3. Bewirkt die Teilnichtigkeit der Mietzinsvereinbarung gemäß § 134 BGB i.V. mit § 5 Wi.S.tG, daß der Mieter nur die ortsübliche Vergleichsmiete schuldet und dementsprechend nach § 812 den darüber liegenden Teil des bezahlten Mietentgelts zurückfordern kann, oder daß der Mieter den Mietzins bis zur sog. Wesentlichkeitsgrenze schuldet und, soweit er Mietzins gezahlt hat, nur den über der Wesentlichkeitsgrenze liegenden Teil zurück erhält?

Die Vorlage ist zulässig.

Die Entscheidung des Senats über die vorgelegten Rechtsfragen beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Nach § 5 Abs. 1 des Wirtschaftsstrafgesetzes in der Fassung vom 3.6.1975 (BGBl. I S. 1313) handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen unangemessen hohe Entgelte fordert. Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage … gezahlt werden, nicht unwesentlich übersteigen.

Zwar hat der Gesetzgeber die Grenze, bei der die wesentliche Mietpreisüberhöhung beginnt, nicht zahlenmäßig bestimmt. Doch handelt es sich nach den Beurteilungskriterien um eine Wertung, die unabhängig von den Umständen des Einzelfalles einer gleichmäßigen Konkretisierung für alle Fälle zugänglich ist.

Der Senat teilt die Meinung des vorlegenden Landgerichts, daß die Grenze dort anzusetzen ist, wo die Vergleichsmiete um mehr als 20 % überschritten wird. Diese Ansicht wird auch vom 3. Strafsenat des OLG Stuttgart (ZMR 1975, 370 = Die Justiz 1975, 398) und vom Landgericht Mannheim (NJW 1977, 1729) vertreten. Dagegen haben der 2. Strafsenat des OLG Frankfurt (ZMR 1975, 371) und das Landgericht Hamburg (MDR 1977, 582) die Grenze erst bei 25 % angesetzt. Nach Meinung des Senats ist das mit Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck nicht mehr vereinbar. Ein Zuschlag von einem Fünftel des Ausgangswertes erscheint als das äußerste dessen, was man noch als „unwesentlich” bezeichnen kann.

Die Abweichung von der Entscheidung des 2. Strafsenats des OLG Frankfurt nötigt nicht zu einer Vorlage an den BGH. Art. III Abs. 1 S. 3 des 3. MRÄndG ist einschränkend dahin auszulegen, daß nur die Abweichung vom Rechtsentscheid eines anderen OLG einen Vorlagefall bildet (entsprechend: § 28 FGG, § 79 GBO). § 121 Abs. 2 GVG begründet für den Strafsenat eines OLG bei Abweichung vom Rechtsentscheid des Zivilsenats eines anderen OLG keine Vorlagepflicht (vgl. u.a. BGH LM Nr. 12 zu § 121 GVG). Folgerichtig kann auch im umgekehrten Verhältnis eine derartige Pflicht nicht bestehen.

2. Der Ausgangswert der Berechnung, also die ortsübliche Vergleichsmiete i.S. des § 5 Wi.S.tG, kann nicht allein aus einem Mietspiegel (§ 2 Abs. 2 MHG) entnommen werden. Denn es ist davon auszugehen, daß ein solcher Mietspiegel auch bei stärkerer Differenzierung immer noch recht erhebliche Bandbreiten für die einzelnen Wohnungsgruppen ausweisen muß. Deshalb verbietet sich eine Anknüpfung an den Höchst-, Mittel- oder Mindestwert der Gruppe, weil damit entweder der Anwendungsbereich des § 5 Wi.S.tG zum Nachteil des Mieters in einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Weise eingeschränkt oder der Vermieter unvertretbar benachteiligt würde.

Die Vergleichsmiete muß also konkret für die in Frage stehende Wohnung festgestellt werden. Dazu wird im allgemeinen die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein. Zu Recht geht das vorlegende Land...

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