Leitsatz (amtlich)

Wenn mit dem Prozesskostenhilfeantrag gleichzeitig die Hauptsache vom Kläger anhängig gemacht wird, ist vor Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag über die Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs zu entscheiden und gegebenenfalls das Verfahren an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges gem. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu verweisen.

 

Normenkette

GVG §§ 17a, 17; ZPO §§ 114 ff.

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Beschluss vom 17.12.2010; Aktenzeichen 3 O 242/10)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Tübingen vom 17.12.2010 - 3 O 242/2010, aufgehoben und das Verfahren zur Rechtswegentscheidung an das LG Tübingen zurückverwiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Am 29.9.2010 hat der Kläger seine Klage auf Vergütung und Aufwendungsersatz beim LG Tübingen eingereicht. Gleichzeitig beantragte er Prozesskostenhilfebewilligung. Die Klage wurde dem Beklagten nicht zugestellt, sondern mit Verfügung vom 30.9.2010 dem Prozessgegner zur Stellungnahme zum Prozesskostenhilfegesuch des Klägers zugeleitet. Mit Beschluss des LG vom 17.12.2010 - 3 O 242/10, wurde der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Da ausreichende Anhaltspunkte für eine freie Mitarbeit des Klägers fehlten, liege eine scheinselbständige Tätigkeit des Klägers vor, weshalb für etwaige Ansprüche keine Rechtswegzuständigkeit zum LG bestehe, sondern zu den ArbG. PKH könne nicht bewilligt werden, da nach noch überwiegender Auffassung in diesem Fall § 17a GVG nicht anwendbar sei und die Klage vor einem unzuständigen Gericht keine Aussicht auf Erfolg habe.

Gegen den am 22.12.2010 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 30.12.2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wird u.a. damit begründet, der Beklagte habe unstreitig gestellt, dass der Kläger als Freelancer für ihn tätig gewesen sei.

Mit Beschluss vom 3.1.2011 hat das LG der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss vom 8.4.2011 hat der Einzelrichter gem. § 568 Satz 2 ZPO das Verfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses. Das LG hat vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers von Amts wegen die Zulässigkeit des Rechtswegs zu prüfen und gegebenenfalls den Rechtsstreit an das zuständige ArbG zu verweisen.

1. Ob § 17a GVG im Prozesskostenhilfeverfahren - entsprechend - anwendbar ist, ist streitig (ablehnend: OLG München, Beschluss vom 26.11.2010, AZ. 1 W 2523/10, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe MDR 2007, 1390; befürwortend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 30.12.2009, AZ 3 O 133/09, zitiert nach juris; ähnlich LAG Nürnberg, Beschluss vom 2.6.2010, AZ. 4 TA 131/09 (Vorabentscheidung über den Gerichtsweg); vgl. auch Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., vor §§ 17 bis 17b GVG Rz. 12 m.w.N.).

Jedenfalls wenn mit dem Prozesskostenhilfeantrag gleichzeitig die Hauptsache vom Kläger anhängig gemacht wird, ist vor Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag über die Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs zu entscheiden und gegebenenfalls das Verfahren an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges gem. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu verweisen.

Die Prozessvoraussetzungen, zu denen auch die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs nach § 13 GVG gehört, sind vom Erstgericht in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., vor § 253 Rz. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO, 69. Aufl., § 17 GVG Rz. 1). Diese Prüfung setzt Rechtshängigkeit, also die Zustellung der Klage, nicht voraus. Vielmehr ist die Rechtswegzuständigkeit bereits bei Anhängigkeit der Klage zu klären. Ein solches Verständnis wird dem Zweck des § 17a GVG, eine möglichst frühzeitige Bestimmung der Zuständigkeit zu ermöglichen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 17a GVG Rz. 1), gerecht.

Insbesondere kann einer Rechtswegentscheidung nach § 17a GVG vor Rechtshängigkeit nicht § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG entgegen gehalten werden (so wohl Zöller/Lückemann, a.a.O., vor § 17 bis 17b GVG Rz. 12). § 17b GVG regelt die Wirkungen der Verweisung, also deren Folgen, und nicht deren Voraussetzungen. Es ist in § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG - deklaratorisch - festgehalten, dass die Wirkungen der Rechtshängigkeit bestehen bleiben, soweit sie beim verweisenden Gericht schon eingetreten ist. Damit ist nicht festgelegt, dass die Rechtshängigkeit Voraussetzung für eine Verweisung nach § 17a GVG wäre, sondern wenn das Verfahren beim verweisenden Gericht anhängig, aber noch nicht rechtshängig ist, greift lediglich die Folge der Verweisung nach § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG nicht ein, weil deren Voraussetzung, bereits bestehende Rechtshängigkeit, nicht erfüllt ist.

Auch § 17 Abs. 1 GVG regelt keine Voraussetzungen für eine Prüfung der Rechtsw...

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