Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

Vom Prozessvertreter ist zu verlangen, dass er unabhängig von einer Rechtsmittelbelehrung durch das Gericht jedenfalls den Gesetzestext für fristgebundene Rechtsmittel auf seinem Fachgebiet kennt. Auf die Rechtsmittelbelehrung des Gerichts darf er sich insoweit nicht verlassen.

 

Normenkette

FamFG §§ 112, 117

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Aktenzeichen 20 F 1563/09)

 

Tenor

I. Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Stuttgart vom 16.12.2009 (20 F 1563/09) wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

III. Dem Antragsteller wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren versagt.

Beschwerdewert: 990 EUR

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 16.12.2009 hat das AG auf den nach dem 1.9.2009 gestellten Abänderungsantrag des Antragstellers hin dessen Unterhaltsverpflichtung ggü. seiner geschiedenen Ehefrau von 670 EUR mtl. auf 55 EUR mtl. reduziert. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 21.12.2009 zugestellt. Seine am 13.1.2010 am AG eingegangene Beschwerde hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 19.2.2010 ggü. dem AG begründet. Die Begründung ging am 22.2.2010 (Montag) am AG und am 23.2.2010 am OLG ein. Auf den Hinweis des Vorsitzenden vom selben Tag, dass die Begründung verspätet sei, hat der Antragsteller am 25.2.2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Zu Begründung trägt seine Prozessbevollmächtigte vor, sie habe sich in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befunden. Sie habe sich auf die Rechtsmittelbelehrung des AG verlassen dürfen, der zufolge die Beschwerde begründet werden "solle" und dafür weder eine Frist noch der Adressat benannt worden sei. Deshalb habe sie davon ausgehen dürfen, dass sie die Begründung am AG habe einreichen dürfen. Zudem habe sie vom OLG kein Aktenzeichen mitgeteilt bekommen, so dass sie davon ausgegangen sei, die Akten würden erst zusammen mit Rechtsmittel und Begründung dem OLG vorgelegt werden. Schließlich sei die Begründung fristgerecht beim AG eingegangen. Das AG hätte ihr noch am 22.2.2010 telefonisch das Aktenzeichen des OLG mitteilen können, dann hätte sie die Begründung noch fristgerecht dem OLG faxen können.

II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 5 FamFG, §§ 233, 234 ZPO, insb. fristgerecht eingelegt. Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die Frist zur Beschwerdebegründung nicht unverschuldet versäumt wurde.

1. Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass die Rechtsmittelbelehrung des AG falsch ist, soweit sie die Rechtsmittelbegründung betrifft. Dort heißt es, die Beschwerde solle begründet werden. Das gibt den Gesetzestext von § 65 Abs. 1 FamFG wörtlich wieder. Diese Regelung gilt in Familienstreitsachen aber nicht. In Familienstreitsachen, zu den gem. § 112 Nr. 1 FamFG die Unterhaltssachen gehören, gilt für die Begründung des Rechtsmittels nur § 117 FamFG. Danach hat der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Die Begründung ist beim Beschwerdegericht einzureichen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate nach Bekanntgabe des Beschlusses (§ 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Danach war die Beschwerde ggü. dem OLG bis zum 22.2.2010 (Montag) zu begründen. Das hat der Antragsteller nicht getan.

2. Der anwaltlich vertretene Antragsteller durfte sich nicht auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des AG verlassen. Die richtige und erforderliche Vorgehensweise ergibt sich unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz. Vom Prozessvertreter ist zu verlangen, dass er unabhängig von einer Belehrung durch das Gericht jedenfalls den Gesetzestext für fristgebundene Rechtsmittel auf seinem Fachgebiet kennt. Das gilt umso mehr, als die neue Verfahrensordnung im Zeitpunkt des Ablaufs der Begründungsfrist bereits seit fast sechs Monaten galt. Schon deshalb führt auch der Hinweis der Prozessbevollmächtigten auf eine Entscheidung des 18. Zivilsenats zum neuen Verfahrensrecht nicht zum Erfolg.

3. Dem Antragsteller kommt auch nicht zugute, dass das AG ihm nicht noch am 22.2.2010 (Ablauf der Frist) bei Eingang der Beschwerdebegründung dort telefonisch Mitteilung von der Sachlage oder jedenfalls vom Aktenzeichen des OLG gemacht hat. Zwar trifft jedes Gericht aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) eine Pflicht zur Weiterleitung von Schriftstücken an das zuständige Gericht. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf der Einsender bei Eingang eines Antrags beim unzuständigen Gericht aber nur darauf vertrauen, dass das Schriftstück von diesem Gericht im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Gericht weitergeleitet wird (BGH, B. v. 6.11.2008...

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