Leitsatz (amtlich)

1. Allein der Umstand, dass der Geschädigte weiter Eigentümer des - abgemeldeten - Unfallfahrzeuges bleibt, ist keine Weiternutzung, die eine Schadensregulierung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten rechtfertigt.

2. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versuch des Geschädigten, das Fahrzeug zu veräußern, wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeit des Käufers scheitert. Das - wegen eines gescheiterten Verkaufs - bloße "Behalten" eines abgemeldeten Fahrzeuges ist nicht als Weiternutzung zu werten.

3. Auch bei einem sog. "Liebhaberfahrzeug" ist das Integritätsinteresse jedenfalls dann nicht allein an der Frage zu bemessen, ob es veräußert wurde oder nicht, wenn ein geplanter Verkauf des Fahrzeuges an der Finanzierung des Kaufpreises durch den Käufer scheitert.

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Urteil vom 29.07.2008; Aktenzeichen 4 O 81/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des LG Neubrandenburg vom 29.7.2008 abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.778,53 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.392,53 EUR seit dem 26.9.2007, sowie auf weitere 1.386 EUR seit dem 28.12.2007 zu zahlen.

Die Beklage wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten i.H.v. 859,80 EUR zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Rechtsmittel im Übrigen werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten der I. Instanz tragen die Klägerin 90 % und die Beklagte 10 %; von denen der Berufung die Klägerin 85 % und die Beklagte 15 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Der Gegenstandswert der Berufung beträgt bis 30.000 EUR.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die beklagte Versicherung auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 27.7.2007 auf der B 104 zwischen W. und S. ereignet hat.

Die Klägerin ist Halterin des verunfallten Pkw Maserati mit dem amtlichen Kennzeichen PA-A 1487. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des unfallgegnerischen Pkw. Die Haftung des Fahrers des gegnerischen Fahrzeuges zu 100 % ist außer Streit. Der Pkw der Klägerin wurde sowohl im Heck- als auch im Frontbereich beschädigt. Der von der Klägerin beauftragte Sachverständige L.D. hat die Reparaturkosten auf 37.480,95 EUR netto, den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges auf 45.500 EUR brutto und den Restwert auf 18.000 EUR brutto geschätzt.

Die Klägerin, die ihr Fahrzeug reparieren ließ - wobei allerdings streitig ist, ob die Reparatur fachgerecht erfolgt ist, begehrt Erstattung der vom Sachverständigen ermittelten fiktiven Reparaturkosten. Erstinstanzlich berechnete sie ihre Schadensersatzforderung wie folgt:

Reparaturkosten

37.480,95 EUR netto

Kosten für Schadensgutachten

1.601,53 EUR netto

Abschleppkosten

790 EUR netto

Nutzungsausfallentschädigung für Tage à 99 EUR

11.880 EUR

Kostenpauschale

26 EUR

Zwischensumme

51.778,48 EUR

abzgl. gezahlter

15.270,30 EUR

Forderung

36.508,18 EUR.

Ferner verlangt sie Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.419,19 EUR.

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Frage, ob die Klägerin berechtigt ist, den ihr entstandenen Schaden auf der Basis der fiktiven Reparaturkosten abzurechnen.

Das LG Neubrandenburg gab mit Urteil vom 29.7.2008 der Klage teilweise statt; es verurteilte die Beklagte zur Zahlung i.H.v. 27.202,18 EUR nebst Zinsen. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei berechtigt, ihren Schaden auf der Grundlage der fiktiven Reparaturkosten geltend zu machen. Daneben bestehe ein Erstattungsanspruch wegen der Kosten für das Schadensgutachten sowie wegen der Abschleppkosten. Nutzungsausfallentschädigung könne die Klägerin i.H.v. 2.574 EUR beanspruchen; es sei von einer fiktiven Reparaturdauer von 26 Arbeitstagen auszugehen. Zuzüglich seien die Kostenpauschale von 26 EUR und abzgl. die bereits gezahlten 15.270,30 EUR zu berücksichtigen. Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehe nicht, denn die Einschaltung eines vorgerichtlichen Rechtsanwaltes auf Seiten der Klägerin sei nicht notwendig gewesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie beanstandet, dass das LG im Hinblick auf die Bemessung des Fahrzeugschadens nur eine unvollständige Tatsachenfeststellung vorgenommen und auch widersprüchliche Tatsachen berücksichtigt habe. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Feststellung der tatsächlichen Höhe der Reparaturkosten sowie der tatsächlichen Nutzungsdauer des Klägerfahrzeuges durch die Klägerin nach dem Verkehrsunfall. Die Beklagte rügt weiter, dass das LG zugunsten der Klägerin eine eigene Sachverhaltsergänzung vorgenommen habe, dies u.a. hinsichtlich der Abschleppkosten und der vermeintlichen Weiternutzung...

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