Leitsatz (amtlich)

Eine Beitragsanpassungsklausel in der privaten Krankenversicherung, nach welcher die Tarifbeiträge bei einer Abweichung der erforderlichen Versicherungsleistungen von den kalkulierten um mehr als zehn Prozent angepasst werden müssen und bei einer solchen um mehr als fünf Prozent angepasst werden können, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam; eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers ergibt sich daraus, dass im Falle einer Unterschreitung des gesetzlichen Schwellenwertes aus § 115 Abs. 3 Satz 2 VAG nur das einseitige Recht des Versicherers vorgesehen ist, Erhöhungen seiner Kosten an die Versicherungsnehmer weiterzugeben, nicht aber auch spiegelbildlich die Verpflichtung, bei einer Minderung eigener Kosten die Beiträge abzusenken (Fortführung von BGH, Urteil vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, zitiert nach juris, Rn. 25 und 28 m.w.N. zu der Unwirksamkeit von § 17 Abs. 2 AGB Sparkassen).

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1; SparkAGB § 17 Abs. 2; VAG § 115 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Aktenzeichen 3 O 583/20)

 

Tenor

I. Den Parteien wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten anheimgestellt,

a. im Falle der Beklagten ihre Berufung zurückzunehmen und die Berufungsanträge des Klägers hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 1) insgesamt sowie des Zahlungsantrages zu 2) im Umfang von 1.351,41 EUR zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.12.2020 anzuerkennen, und

b. im Falle des Klägers, seine Berufung im Übrigen zurückzunehmen.

II. Sollten die Parteien der Abgabe der vorgeschlagenen Prozesserklärungen zur Erledigung des Rechtsstreits nicht näher treten können, wird zur Vermeidung eines ansonsten erforderlichen Termins zur mündlichen Verhandlung vorsorglich eine Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren anheimgestellt. Die Parteien werden für diesen Fall gebeten, binnen der hier gesetzten Frist mitzuteilen, ob sie

a) auf die Einreichung weitere Schriftsätze nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens sowie

b) auf die gesonderte Mitteilung des Verkündungstermins

verzichten.

III. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird vorläufig auf bis zu 6.000,00 EUR festgesetzt.-

 

Gründe

A. Die zulässige Berufung der Beklagten erscheint nach vorläufiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage nur zu einem geringfügigen Teil, nämlich bezogen auf die im ersten Rechtszug ausgeurteilte Nebenforderung begründet.

1. Der Feststellungsantrag zu 1) des Klägers ist zumindest im Umfang seines erstinstanzlichen Erfolges ebenfalls zulässig und seinerseits begründet; zu Recht ist das Landgericht von einer Unwirksamkeit der Prämienanpassung in dem Tarif X zum 01.05.2017 für die Zeit (jedenfalls) bis einschließlich zum 28.02.2021 ausgegangen.

a. Vorauszuschicken ist hierzu, dass gegebenenfalls eine Abänderung des Tenors des angefochtenen Urteils gemäß § 319 Abs. 1 ZPO veranlasst wäre, weil dort eine Unwirksamkeitsdauer für die Beitragserhöhung demgegenüber (nur) bis zum 28.02.2017 benannt wird; nach den Entscheidungsgründen sind Versäumnisse der Beklagten hinsichtlich des Anpassungsverlangens jedoch (erst) mit der Zustellung der Klageerwiderung an den Kläger am 26.01.2021 behoben worden und dessen Unwirksamkeit daher bis einschließlich Februar 2021 festzustellen, für welchen Zeitraum im Weiteren auch ein Rückforderungsanspruch des Klägers berechnet wird. Erklärt sich die Differenz zwischen Tenor und Entscheidungsgründen in diesem Sinne als offenbares Schreibversehen, kann das Urteil des Landgerichtes (auch) durch das mit der Sache befasste Rechtsmittelgericht von Amts wegen berichtigt werden (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 02.02.2021, Az.: 4 U 70/19, - zitiert nach juris -, Rn. 58 m.w.N.).

b. Die Zulässigkeit des Feststellungsantrages ist insbesondere unter dem Aspekt des nach § 256 ZPO notwendigen (besonderen) Feststellungsinteresses gegeben.

aa. Allein mit dem vom Kläger erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge wäre nicht rechtskräftig festgestellt, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist. Ist die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen eine Vorfrage für den Leistungsantrag, geht sie damit zugleich über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus. Sie ist deshalb auch als Zwischenfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO zulässig, in welchem Falle die Vorgreiflichkeit das sonst für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich macht (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az.: IV ZR 294/19, - zitiert nach juris -, Rn. 19 f. m.w.N.).

bb. Vor diesem Hintergrund kann bereits dahinstehen, dass ein gegenwärtiges Feststellungsinteresse hinsichtlich früherer Prämienanpassungen allenfalls dann verneint werden könnte,...

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