BGH: Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung

Die Versicherungsleistungen entwickeln sich nicht immer so, wie vom Versicherer kalkuliert. Der BGH hat sich mit der Frage beschäftigt, ob Versicherer in ihren Bedingungen festlegen dürfen, dass sie auch bei Abweichungen, die unter den gesetzlich festgelegten 10 Prozent liegen, ihre Kalkulation überprüfen dürfen.

Ein Mann hatte bei einer privaten Krankenversicherung eine Kranken- und Pflegeversicherung sowie eine Krankengeldtageversicherung. Die Versicherung erhöhte zwischen den Jahren 2012 und 2018 insgesamt fünf Mal die Beiträge. Sie berief sich dabei auf die Versicherungsbedingungen. In denen war unter anderem geregelt: Schon bei einer Abweichung von fünf Prozent der erforderlichen von den technischen Berechnungsgrundlagen kann der Versicherer die Beiträge überprüfen und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders anpassen.

Geänderte Berechnungsgrundlagen: Gesetz sieht Zehn-Prozent-Grenze für eine Neukalkulation vor

Bei einer Abweichung von zehn Prozent – dem gesetzlich vorgesehene Schwellenwert gemäß § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG –- werden dagegen die Beiträge immer überprüft – also keine Kann-Vorschrift. Der Versicherte hielt die Prämienanpassungsklausel mit der 5-Prozent-Grenze für unwirksam und folglich die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Das Berufungsgericht hatte dies noch bestätigt. Nicht so der Bundesgerichtshof (BGH).

Die Klausel in der Versicherungsbedingungen mit der 5-Prozent-Grenze weiche nicht entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Regelungen des § 203 Abs. 2 VVG ab, so der BGH.

BGH: Versicherer dürfen in Bedingungen auch einen geringeren Prozentsatz für die Überprüfung der Beiträge festlegen

Der Wortlaut der Vorschrift lasse unterschiedliche Deutungen zu. Er ermögliche es dem Versicherer, in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einen geringeren Prozentsatz als zehn Prozent vorzusehen. Dabei werde nicht festgelegt, ob dieser geringere Prozentsatz den gesetzlichen Schwellenwert (10 Prozent) ersetzen muss oder neben ihn treten kann.

Versicherungen seien berechtigt, in den Versicherungsbedingungen einen niedrigeren Schwellenwert festzulegen, ab dem sie die Kalkulation ihrer Prämien überprüfen und diese eventuell anpassen dürfen. Dies diene unter anderem auch dazu, große Prämiensprünge zu vermeiden.

Versicherungsnehmer werden durch die Klausel nicht benachteiligt

Die Versicherungsklausel benachteilige Versicherungsnehmer auch nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen. Unangemessen ist die Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versuche. Und zwar ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.

Das Prämienanpassungsrecht des Versicherers solle vorrangig die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge gewährleisten, so der BGH.

(BGH, Urteil, v. 12.7.2023, IV ZR 347/22)


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