OLG: Lebensversicherung muss bei Widerspruch  Rückzahlung leisten

Sind die Voraussetzungen für einen Widerspruch erfüllt, haben Versicherungsnehmer – anders als bei einer Kündigung – einen weitreichenden Rückzahlungsanspruch gegen die Versicherung. Kleine Abstriche müssen sie sich im Zweifel aber dennoch gefallen lassen.

Eine Frau hatte eine fondsgebundene Lebensversicherung abgeschlossen und schon einige Zahlungen geleistet, bevor sie den Widerspruch erklärte. Die Versicherungsgesellschaft reagierte zuerst positiv. „Gerne antworten wir auf Ihr Anliegen. Ihrem Wunsch entsprechend werden wir den Vertrag rückabwickeln“, teilte die Versicherung in einem Schreiben mit.

Als es jedoch darum ging, wie viel Geld der Versicherungsnehmerin aus dem Vertrag zustand, kam es zum Streit. Die Frage der Höhe des Anspruchs der Versicherungsnehmerin musste daher vor Gericht geklärt werden.

Lebensversicherer wollte Rückzieher machen

Die Versicherung argumentierte, dass das Angebot zur Rückabwicklung des Vertrags sich nur auf eine außergerichtliche Einigung bezogen habe. Das OLG folgte der Auffassung des Versicherers nicht. Die klagende Versicherungsnehmerin habe dem Schreiben des Versicherers nicht entnehmen können, dass dieser Zweifel an der Wirksamkeit des Widerspruchs hatte.

Die Versicherungsnehmerin habe davon ausgehen müssen, dass die Versicherung den Widerspruch als wirksam anerkenne – die Versicherung habe in ihrem Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Widerspruch anerkenne. Die Versicherung habe in ihrem Schreiben auch bereits die Höhe der Rückerstattung und deren Zusammensetzung im Einzelnen berechnet.

Erfolgreicher Widerspruch – worauf Versicherungsnehmer Anspruch haben

Zur entscheidenden Frage der Höhe des Anspruchs der Versicherungsnehmerin gegen die Versicherung führte das Gericht Folgendes aus:

  • Ein Versicherungsnehmer kann nach einem erfolgreichen Widerspruch die gezahlten Prämien aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
  • Allerdings umfasst die Höhe des Rückgewährungsanspruchs grundsätzlich nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien.
  • Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil v. 07.05.2014, IV ZR 76/11) muss ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden.
  • Die Versicherung darf insbesondere in Rechnung stellen, dass der Versicherungsnehmer während der Dauer der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat. Diesen Versicherungsschutz muss er sich als erlangten Vermögensvorteil anrechnen lassen – bei Lebensversicherungen kann dies den Risikoanteil betreffen.
  • Abschluss- und Verwaltungskosten darf die Versicherung dagegen nicht von dem Prämienrückforderungsanspruch abziehen.

Versicherung darf allerdings Abzug für erbrachten Risikoschutz vornehmen

Für die Versicherungsnehmerin bedeutet dies: Sie erhält die gesamten gezahlten Prämien in Höhe von 10.153,20 EUR rückerstattet. Zudem hat sie Anspruch auf den erzielten Fondsgewinn in Höhe von 3.875,76 EUR. Gemindert wird der Betrag um den kalkulatorischen Risikokostenanteil der Risikozusatzversicherung in Höhe von 429,74 EUR.

(OLG Köln, Urteil v. 28.04.2023, 20 U 261/21)

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