BGH: Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung

Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung sind für viele Versicherte ein leidiges Thema. Wann darf die Versicherung die Preise erhöhen, wann nicht? Dazu hat sich der Bundesgerichtshof geäußert.

Ein Versicherter hielt die Beitragserhöhungen seiner privaten Krankenversicherung für unwirksam und zog vor Gericht. Von der Versicherung wollte er die er die Differenz der Prämienerhöhungen zum ursprünglichen Tarif zurückbezahlt bekommen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte dem Mann teilweise Recht gegeben: Mehrere Prämienerhöhungen seien zunächst nicht wirksam geworden, weil sie im Mitteilungsschreiben von der Versicherung unzureichend begründet worden seien, so das OLG.

Weitere Prämienerhöhungen seitens des Versicherers hatte das Gericht für endgültig unwirksam gehalten, da die Beitragsanpassungsklausel in § 8b Abs. 1 und 2 der Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK) unwirksam sei.

Der Bundesgerichtshof hat diese Sichtweise nicht bestätigt. Für die Erhöhungen bestehe eine wirksame Prämienanpassungsklausel in § 8 Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers.

Klausel zu Beitragsanpassungen in den Versicherungsbedingungen unwirksam

Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam: „Von der Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsbedingungen als vorübergehend anzusehen ist.“ Entscheidend für die Unwirksamkeit ist hier, dass die Regelung entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG abweicht.

Krankenversicherung darf Beiträge nur erhöhen, wenn sich Grundlagen für die Prämienkalkulation nicht nur vorübergehend geändert haben

Die gesetzliche Vorschrift für Prämienanpassungen setzt zwingend voraus, dass die Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage nicht als vorübergehend anzusehen ist. In den Versicherungsbedingungen steht dagegen nur, dass die Versicherung bei einer nur vorübergehenden Veränderung von Prämienanpassungen absehen kann, das heißt, dass sie auch für diesen Fall nicht ausgeschlossen ist.

Unwirksame Klausel in Versicherungsbedingungen schützt nicht vor Beitragserhöhungen

Allerdings, und das ist der Pferdefuß für den Versicherten, hat die Unwirksamkeit von § 8b Abs. 2 MB/KK nicht zur Folge, dass auch § 8b Abs. 1 MB/KK unwirksam ist und die darauf bezugnehmende Regelung in den Tarifbedingungen des Versicherers nicht mehr anwendbar wäre. Absatz 1 weicht nämlich nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorschriften zu Prämienanpassungen ab.

Die Klausel enthält dieselben Voraussetzungen wie § 203 Abs. 2 VVG und erlaubt Prämienanpassungen nur bei einer Veränderung der Rechnungsgrundlagen, die nicht nur als vorübergehend anzusehen ist.

Mit der Regelung des § 8b Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarifbedingungen macht der Versicherer allein von der seiner Möglichkeit des § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitragsanpassung von zehn auf fünf Prozent abzusenken.

Fazit: Bei einer nur vorübergehenden Änderung der Berechnungsgrundlage darf die Versicherung die Beiträge zwar nicht erhöhen, die entsprechende Klausel ist unwirksam. Die Unwirksamkeit führt aber nicht dazu, dass die Versicherung die Beiträge nicht erhöhen darf, wenn von einer dauerhaften Änderung der Berechnungsgrundlagen ausgegangen werden muss.

(BGH, Urteil v. 22.06.2022, IV ZR 253/20)

§ 8b MB/KK 2009

Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst…

Laut BGH unwirksam:

Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.

§ 203 VVG

(2) Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 155 in Verbindung mit einer auf Grund des § 160 des Versicherungsvertragsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung.

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