Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebühren des beigeordneten Anwalts im Ehescheidungsverfahren: Einigungsgebühr bei wechselseitigem Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs fällt die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV auch dann an, wenn zum Zeitpunkt der Vereinbarung noch nicht sämtliche Auskünfte der Versorgungsträger vorliegen.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 1000

 

Verfahrensgang

AG Lingen (Aktenzeichen 20 F 1074/10 S)

 

Tenor

I. Die Sache wird gem. § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz RVG dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Nordhorn vom 28.10.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Landeskasse wendet sich mit der zugelassenen Beschwerde gegen die Festsetzung der Einigungsgebühr in einem Scheidungsverfahren, in dem beiden Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden war.

Die Antragstellerin begehrte mit ihrem am 1.4.2010 bei Gericht eingegangenen Antrag die Scheidung der zwischen den Beteiligten am 18.11.2004 geschlossenen Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Hinsichtlich der Scheidungsfolgen haben sich die Beteiligten unter dem 22.3.2010 (UR-Nr. 36/2010 des Notars ...) dahin geeinigt, dass eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung nicht stattfinden soll; auf die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen wurde beiderseits verzichtet.

Der Antragsgegner, der ebenfalls beantragte, die Ehe zu scheiden, hat hervorgehoben, dass die Beteiligten in ihrem notariellen Vertrag hinsichtlich des Versorgungsausgleichs keine Regelungen getroffen haben, sich allerdings vorbehalten haben, solche zu treffen.

Vorsorglich haben die Beteiligten die entsprechenden Unterlagen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs eingereicht; das AG hat demgemäß Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt.

In der mündlichen Verhandlung vom 11.8.2010 schlossen die Beteiligten "auf Vorschlag des Gerichts", nachdem sie erklärt hatten, hinsichtlich der noch ausstehenden Auskünfte der Union Investment gehe man davon aus, dass auch dort in etwa gleich hohe Anwartschaften erworben worden seien, zum Versorgungsausgleich einen Vergleich, wonach sie auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches verzichteten. In dem Scheidungsbeschluss vom selben Tage stellte der Familienrichter unter Hinweis auf den "gerichtlichen Vergleich" fest, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

Zu diesem Zeitpunkt lagen die Auskünfte bezüglich der von beiden Beteiligten bei der U. I. S. B. A. erworbenen Anrechte noch nicht vor. Diese gingen erst am 18. bzw. 19.8.2010 bei Gericht ein; ausweislich dieser Auskünfte betrug das die Antragstellerin - bezogen auf die Ehezeit - betreffende Vertragsvermögen 1.053,76 EUR, das des Antragsgegners 639,68 EUR.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat u.a. die Festsetzung einer Einigungsgebühr entsprechend dem vom Familiengericht für den Versorgungsausgleich festgesetzten Streitwert von 1.000 EUR beantragt.

Die Rechtspflegerin hat diese Einigungsgebühr durch Beschluss vom 24.8.2010 abgesetzt.

Auf die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin hat der Familienrichter durch den angefochtenen Beschluss vom 28.10.2010 eine Einigungsgebühr zzgl. Mehrwertsteuer festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin.

II. Das gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG aufgrund der Zulassung durch den Familienrichter statthafte Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat die Einigungsgebühr zu Recht festgesetzt.

Durch Beschl. v. 1.7.2010 - 13 WF 90/01 = 11 F 933/09 AG Nordhorn - hat der Senat unter Hinweis auf die nunmehr überwiegende Auffassung (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463; OLG Stuttgart FamRZ 2008, 1010; OLG Köln FamRZ 2008, 1010 sowie 2009 237; OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 2111; OLG Zweibrücken MDR 2009, 1314; OLG Celle FamRZ 2007, 201; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Nr. 1000 VVRVG Rz. 526 jeweils m.w.N.) ausgeführt, dass bei einer Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV jedenfalls dann anfällt, wenn Auskünfte der Versorgungsträger nicht eingeholt worden sind und die Person des Ausgleichspflichtigen deshalb nicht feststeht.

Gleiches gilt, wenn zum Zeitpunkt der Vereinbarung noch nicht sämtliche Auskünfte der Versorgungsträger vorlagen, wobei dahinstehen kann, ob bei einem wechselseitigen Verzicht hinsichtlich des ansonsten noch durchzuführenden Versorgungsausgleichs stets ein Vergleich i.S.d. Nr. 1000 RVG-VV vorliegt (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2010, 922 sowie Göttlich-Mümmeler-Rehberg-Xanke, RVG, "Versorgungsausgleich" Anmerkung 1.2.4).

Voraussetzung für das Entstehen der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV ist "die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, de...

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