Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfall einer Einigungsgebühr bei Vergleich über den Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Schließen im Rahmen eines Scheidungsverfahrens die Ehegatten einen Vergleich, wonach sie auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichten, wird der Anfall einer Einigungsgebühr dann nicht nach der amtlichen Anmerkung zu RVG-Nr. 1000 I Satz 1 2. Halbsatz ausgeschlossen, wenn mangels weiterer Ermittlungen zum Wert der jeweils erworbenen Anrechte noch nicht einmal die Person des Ausgleichsberechtigten feststeht.

 

Normenkette

BGB § 1587o; RVG-VV Nr. 1000

 

Verfahrensgang

AG Emmerich (Beschluss vom 04.10.2007; Aktenzeichen 11 F 67/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Landeskasse vom 10.10.2007 gegen den Beschluss des AG Emmerich - FamG - vom 4.10.2007 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Beschwerdegegner war der Antragstellerin in einem Scheidungsverfahren nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordnet. Im Verhandlungstermin vom 13.6.2007 wurde die Sach- und Rechtslage auch zur Durchführung des Versorgungsausgleichs erörtert. Ausweislich der unstreitigen Ausführungen im angefochtenen Beschluss gaben beide Parteien Erklärungen zu ihrer versicherungspflichtigen Tätigkeit und zu früher bestehenden Versicherungen ab: Die Antragstellerin war während der Ehezeit in den Niederlanden versicherungspflichtig tätig, während der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hatte, jedoch als Selbständiger der Altersversorgung dienende Versicherungen abgeschlossen hatte, die aufgrund finanzieller Schwierigkeiten während der Ehe aufgelöst worden waren. Es bestanden mithin Unsicherheiten, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin in den Niederlanden Anwartschaften erworben hatte und ob diese als ausländische Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einzustellen waren, ferner über die rechtliche Qualität, die Dauer und die Höhe der eventuell einzustellenden Anwartschaften des Antragsgegners. Wegen dieser Umstände und der relativ kurzen Ehedauer (25.10.2003 bis 13.6.2007) kamen die Parteien überein, einen "Vergleich" zu schließen, nach dessen Inhalt sie sich darüber einig waren, dass im Rahmen des Scheidungsverfahrens "von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abgesehen" werde.

Im Rahmen der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren hat der Beschwerdegegner auch die Festsetzung einer Vergleichsgebühr beantragt. Diese hat der Rechtspfleger zunächst abgelehnt. Auf die Erinnerung des Beschwerdegegners ist die Vergleichsgebühr nebst Mehrwertsteuer durch den angefochtenen Beschluss nachträglich festgesetzt und die Beschwerde ausdrücklich zugelassen worden. Die Landeskasse begehrt nunmehr im Wege der Beschwerde die Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Absetzung der Einigungsgebühr.

II. Die Beschwerde der Landeskasse vom 10.10.2007 (Bl. 43 f. PKH-Heft) gegen den Beschluss des AG Emmerich - FamG - vom 4.10.2007 (Bl. 33 ff. PKH-Heft) ist gem. § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG kraft Zulassung zulässig, jedoch unbegründet. Erfolglos wendet sich die Beschwerde gegen die auf die Erinnerung des Beschwerdegegners erfolgte weitere Festsetzung einer Einigungsgebühr i.H.v. 85 EUR nebst Mehrwertsteuer.

Durch den protokollierten "Vergleich" ist zugunsten des Beschwerdegegners eine Einigungsgebühr nach RVG-VV Nr. 1000 angefallen. Die Gebühr entsteht nach der amtlichen Anmerkung zu RVG-VV Nr. 1000 I Satz 1 1. Halbsatz "für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird". Dies ist hier nach den unstreitigen Ausführungen im angefochtenen Beschluss erfolgt. Es bestanden Unklarheiten in Bezug auf die jeweils in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anwartschaften, namentlich Unsicherheiten, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin in den Niederlanden Anwartschaften erworben hatte und ob diese als ausländische Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einzustellen waren, ferner über die rechtliche Qualität, die Dauer und die Höhe der eventuell einzustellenden Anwartschaften des Antragsgegners. Mit Rücksicht auf eben diese Unsicherheiten und im Hinblick auf die relativ kurze Ehedauer haben sich die Parteien darauf geeinigt, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abzusehen. Für eine Einigung im Sinne der RVG VV-NR. 1000 reicht es aus, dass beide Seiten vertragsmäßig etwas anerkennen oder auf etwas verzichten, was sie gefordert haben oder fordern könnten (vgl. Gerold/Schmidt-von Eicken, RVG, Aufl., VV 1000 Rz. 28). Dementsprechend kann die Einigungsgebühr entstehen, wenn beide Parteien auf die Geltendmachung von Ansprüchen verzichten, beispielsweise bei einem wechselseitigen Verzicht auf Unterhaltsansprüche (vgl. OLG Koblenz NJW 2006, 850 f.); entsprechendes gilt, wenn bei einem Vergleich der Schuldner den Ausgleich eines Teils der geltend gemachten For...

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