Leitsatz (amtlich)

1. Zum Erlöschen des Geheimhaltungsinteresses einer GmbH nach deren Löschung im Handelsregister.

2. Ein Steuerberater hat hinsichtlich solcher Wahrnehmungen, die er vor Beginn des Steuerberatungsverhältnisses gemacht hat, kein Zeugnisverweigerungsrecht.

 

Normenkette

ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 6, § 384 Nr. 3

 

Tenor

I. Die Zeugnisverweigerung durch den Zeugen S. ist unberechtigt.

II. Der Zeuge S. hat die Kosten dieses Zwischenstreits zu tragen.

III. Das Zwischenurteil ist (hinsichtlich der Kosten) vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Gegenstand des Zwischenstreits ist die Frage, ob dem Zeugen S. ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.

Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Klagepartei Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Bank geltend. Die Klagepartei hatte im Jahr 1992 Appartements in einer erst zu errichtenden Ferienanlage im Bayerischen Wald erworben und den Kaufpreis mit einem Darlehen der Beklagten finanziert. Der Erwerb war jeweils über einen Treuhänder erfolgt; bei der Ferienanlage in A. war als Treuhänderin die X Treuhandgesellschaft mbH Steuerberatungsgesellschaft mit dem Sitz in M. (künftig: "X GmbH") eingeschaltet. Die Ferienanlage in A. war von der Y Bauträger GmbH mit dem Sitz in O. (künftig: "Y") errichtet worden. Um den Vertrieb der Appartements hatte sich die Z Immobilien-Vertrieb-Gesellschaft mbH mit dem Sitz in G. (künftig: "Z GmbH") gekümmert und zu diesem Zweck einen Prospekt verschickt, in dem u.a. die zu erwartenden Mieteinnahmen angegeben waren.

Im Prozess trug die Klagepartei (sowohl hinsichtlich der Ferienanlage in A. als auch derjenigen in R.) vor, die im Prospekt genannten Mieteinnahmen seien vollkommen unrealistisch und viel zu hoch gewesen; sie - die Klagepartei - sei durch die Z GmbH arglistig getäuscht worden; hiervon habe die Beklagte gewusst.

In der Klageerwiderung bestritt die Beklagte, von einer arglistigen Täuschung durch die Z GmbH gewusst zu haben. Im Zusammenhang mit einem Gespräch, das nach Darstellung der Klagepartei im Herbst 1991 in den Räumen der Regensburger Filiale der Beklagten stattgefunden haben soll, behauptete die Beklagte, die Z GmbH habe ihre Planzahlen mit Ist-Zahlen aus vergleichbaren Objekten (Betriebsvergleichen) untermauert. Die Beklagte beantragte, hierzu u.a. den Zeugen S. zu vernehmen. Mit Beweisbeschluss vom 19.3.2014 ordnete der Senat die Vernehmung an. Im Schreiben vom 12.5.2014 berief sich der Zeuge auf ein Zeugnisverweigerungsrecht und begründete dies damit, er sei Steuerberater und in den 90er Jahren Geschäftsführer der X GmbH gewesen. Gemäß § 57 StBerG unterliege er der Pflicht zur Verschwiegenheit. Diese erstrecke sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufs oder im Zusammenhang damit anvertraut oder bekannt geworden sei. Die ehemaligen Mandanten (jetzige Klagepartei) hätten ihn - den Zeugen - nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden. Der Zeuge S. begründete seinen Standpunkt ergänzend im Schreiben vom 18.8.2014, dem er eine Stellungnahme der Steuerberaterkammer vom 7.8.2014 beifügte. Auf diese Schriftstücke wird verwiesen.

Anders als der Zeuge vertritt die Beklagte die Rechtsauffassung, dieser unterliege keiner Verschwiegenheitspflicht, denn das Beweisthema, zu dem er aussagen solle, habe mit steuerlichen Mandaten nichts zu tun.

Nachdem die Beteiligten einer Entscheidung des Zwischenstreits im schriftlichen Verfahren zugestimmt haben, hat der Senat am 19.8.2014 beschlossen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 128 Abs. 2 ZPO), und hat für Schriftsätze, die hierbei berücksichtigt werden sollen, eine Frist bis 8.9.2014 gesetzt.

Dem Zeugen S. steht wegen seiner früheren Tätigkeit bei der X GmbH kein Zeugnisverweigerungsrecht zu. In Betracht käme allenfalls ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 oder § 384 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen liegen aber nicht vor. Andere Gründe für ein Zeugnisverweigerungsrecht sind nicht ersichtlich. Im Einzelnen:

1. Zu erwägen wäre, ob der Zeuge S. sich deswegen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen könnte, weil er Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft X GmbH war (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl., § 383 Rz. 6 m.w.N.). Steuerberater haben ihren Beruf verschwiegen auszuüben (§ 57 Abs. 1 StBerG). Falls die X GmbH und/oder Herr S. beratend für den Bauträger, die Y, tätig war(en), ergäbe sich insoweit grundsätzlich eine Schweigepflicht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 383 Rz. 17).

Allerdings dient das Berufsgeheimnis des Steuerberaters nicht dessen eigenem Geheimhaltungsinteresse, sondern ausschließlich dem Interesse des Mandanten (BGH NJW 1990, 510, für das Berufsgeheimnis des Rechtsanwalts).

Die Bauträgergesellschaft Y wurde durch Eröffnung des Konkurses im Jahr 1994 aufgelöst und am 28.5.1998 im Handelsregister gelöscht. Damit erlosch das (möglicherweise einmal vorhandene) Geheimhaltungsinteresse dieser Gesellschaft - mit der Folge, dass jedenfalls jetzt kein Zeugnisverweigerungsrecht mehr bes...

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