Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Bemessung eines Pflichtteilsanspruchs sind zunächst etwaige Ausgleichsbeträge vom Wert des Nachlasses abzuziehen.

 

Normenkette

BGB §§ 2057a, 2316

 

Verfahrensgang

LG Dessau (Urteil vom 05.11.1998; Aktenzeichen 2 O 2061/94)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 05. November 1998 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000 DM nicht.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung auf 80.069,00 DM, danach auf 56.909,00 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des

Tatbestandes

wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist gemäß §§ 511, 511 a Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 516, 518, 519 ZPO.

Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Pflichtteilsanspruch aus § 2303 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1922 BGB, der zumindest in Höhe des ausgeurteilten Betrages von 56.909,00 DM besteht.

1.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß den Klägern als Erben nach dem pflichtteilsberechtigten R. K. 1/4 des Nachlaßwertes als Pflichtteil zusteht. Der nunmehr unstreitige Nachlaßwert beläuft sich auf 319.276,00 DM, der sich wie folgt zusammensetzt:

Persönliche Habe

145,00 DM

Bewegliche Habe

1.500,00 DM

Sparvermögen

103.355,95 DM

Giroguthaben

1.078,00 DM

Grundstück

220.000,00 DM

326.078,95 DM

Abzüglich Beerdigungskosten

4.302,95 DM

Abzüglich Sachverständigenkosten

2.500,00 DM

6.802,95 DM

319.276,00 DM

2.

Wie das Landgericht zu Recht entschieden hat, ist von dem so ermittelten Nachlaßwert für die Mitarbeit des Beklagten in der Gastwirtschaft der Erblasserin ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 23.160,00 DM abzuziehen. Denn nach §§ 2316 Abs. 1, 2057 a BGB kann ein Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit in besonderem Maße dazu beigetragen hat, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder zu vermehren, eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen verlangen.

a) Die Ausgleichsregelung gemäß §§ 2316 Abs. 1, 2057 a BGB ist im vorliegenden Rechtsstreit anwendbar, da sie nicht nur zugunsten von pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen, sondern auch zu deren Nachteil anwendbar ist (BGH NJW 1993, 1197).

b) Die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch nach §§ 2316, 2057 a BGB sind dem Grunde nach erfüllt.

Die Parteien sind Abkömmlinge der Erblasserin. Erblasserin ist die am 16. Juni 1991 verstorbene I. K.. Der Beklagte und sein am 17. April 1992 verstorbener Bruder R. K., den die Kläger zu 1) und 2) beerbt haben, sind Abkömmlinge der Erblasserin.

Der Beklagte hat für die Erblasserin Leistungen erbracht, die über das übliche Maß hinausgehen. Das Landgericht hat als Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellt, daß der Beklagte seit seinem 14. Lebensjahr täglich mehrere Stunden in der Gastwirtschaft der Erblasserin Leistungen erbracht habe. In der Zeit von 1964 – 1969 habe er 4 – 5 Stunden täglich, von April 1971 bis Dezember 1975 bei einer 7-Tage-Woche ca. 5 Stunden täglich und in der Zeit von 1976 bis 1977 an 6 Tagen pro Woche ca. 5 Stunden täglich gearbeitet. Diese Feststellungen begegnen keinen durchgreifenden Bedenken und werden vom Beklagten auch nicht angegriffen.

Gemäß § 2057 a Abs. 2 Satz 2 BGB ist unerheblich, daß der Beklagte die Leistungen – jedenfalls teilweise – auch im Rahmen des § 1619 BGB erbracht hat.

Der Beklagte hat kein angemessenes Entgelt für seine Leistungen erhalten (§ 2057 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Landgericht hat es zu Recht nicht als angemessenes Entgelt angesehen, daß er für seine Tätigkeit freie Kost und Logis hatte. Ebenso begegnet die Feststellung des Landgerichts keinen Bedenken, daß die Gewährung von Trinkgeldern keine adäquate Entlohnung darstellt.

Die Leistungen des Beklagten haben auch „in besonderem Maße” dazu beigetragen, das Vermögen der Erblasserin zu erhalten und zu vermehren. Die Erblasserin hat in der Gastwirtschaft unstreitig keine Angestellten beschäftigt, wie im übrigen auch die Aussage des vom Landgericht vernommenen Zeugen L. S. bestätigt. Es ist aber davon auszugehen, daß die Erblasserin ohne die Mitarbeit des Beklagten die Gastwirtschaft nicht auf Dauer hätte alleine führen können, so daß durch die Mitarbeit des Beklagten die Einstellung eines Angestellten und die damit verbundenen Kosten erspart werden konnten. Soweit nicht ohnehin schon jede Mitarbeit dem Anschein nach als vermögenserhaltend oder -vermehrend angesehen wird (so z. B. Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 2057 a, Rnr. 9; Münchener-Kommentar/Dütz, BGB, 3. Aufl., § 2057 a Rnr. 16 jeweils mit weiteren Nachweisen; kritisch dagegen Staudinger/Werner, BGB, 13. Aufl., § 2057 a, Rnr. 14), wird der Beweis für die Vermögenserha...

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