Leitsatz (amtlich)

1. Die mit einer Klage nach §§ 60 Abs. 1 Nr. 3, 61 Abs. 1 GmbHG verfolgte Auflösung einer GmbH kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn mildere Mittel zur Beseitigung etwa vorhandener erheblicher Gesellschaftsprobleme zur Verfügung stehen.

2. Persönliche Gründe in der Person der Gesellschafter selbst sind für sich genommen, im Regelfall nicht geeignet, eine Auflösungsklage zu stützen. Besteht aber zwischen den Gesellschaftern ein tiefgreifendes und offensichtlich unheilbares Zerwürfnis, das in den vergangenen Jahren verhindert hat, dass die nach dem Gesellschaftsvertrag durchgängig erforderlichen einstimmigen Gesellschafterbeschlüsse gefasst werden konnten, so begründet dies einen wichtigen Grund für eine Auflösung.

3. Hat der Kläger keine messbaren wirtschaftlichen Vorteile durch die Auflösungsklage, die keinen vollstreckbaren Titel auf das Auseinandersetzungsguthaben gibt, und behauptet der Kläger auch keine messbaren wirtschaftlichen Nachteile durch einen etwaigen Fortbestand der GmbH, so bemisst sich der Streitwert der Auflösungsklage nach dem nominellen Wert seines Geschäftsanteils.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 06.07.2010; Aktenzeichen 31 O 169/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6.7.2010 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Magdeburg - Geschäftsnummer: 31 O 169/09 × 120 × - abgeändert:

Die im Handelsregister des AG Stendal unter der Registernummer HRB 107009 eingetragene Beklagte wird aufgelöst.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 8.691,96 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt als Mitgesellschafter die Auflösung der Beklagten.

Die Beklagte ist eine am 15.3.1993 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital i.H.v. seinerzeit 51.000 DM, das entspricht heute 26.075,89 EUR. Gründungsgesellschafter der Beklagten und bis heute deren Gesellschafter sind neben dem Kläger zu gleichen Teilen von jeweils einem Drittel die im Rubrum benannten Geschäftsführer, so dass jeder Gesellschafter an der Beklagten mit einem Geschäftsanteil von seinerzeit jeweils 17.000 DM (heute: 8.691,96 EUR) beteiligt ist.

Nach § 8 des Gesellschaftsvertrages werden Gesellschafterbeschlüsse mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen gefasst, wobei je 1.000 DM Geschäftsanteil eine Stimme zählt. De facto sind damit - eine ordnungsgemäße Einberufung vorausgesetzt - nur einstimmige Beschlüsse aller Gesellschafter wirksam, insbesondere auch über die jährliche Ergebnisverwendung einschließlich der Verteilung evt. Überschüsse.

Seit 1995 und in der Folgezeit kam es zu diversen Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern sowie der Beklagten:

Ausgangspunkt war ein notarieller Vertrag vom Dezember 1994, in dem der Kläger seinen Geschäftsanteil nach vorheriger Teilung an die Mitgesellschafter veräußerte und mit Wirkung zum 1.1.1995 aus der Gesellschaft ausscheiden sollte. Nach fehlender Kaufpreis-zahlung wurde einer Klage des Klägers auf Rückübertragung seiner Geschäftsanteile mit Urteil des LG Magdeburg vom 11.10.2000 (Geschäftsnummer: 10 O 849/00) stattgegeben.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 22.6.2001 schlossen beide Mitgesellschafter den Kläger aus der Beklagten aus. Bereits zuvor hatte der Kläger vergeblich Auskunfts- und Einsichtsrechte gegen die Beklagte geltend gemacht, denen die Beklagte erst aufgrund eines weiteren Beschlusses des LG Magdeburg vom 23.7.2001 (Geschäftsnummer: 32 O 137/01) nur mit Verzögerung nachkam.

Im Jahre 2005 machte der Kläger im Wege der "actio pro socio" Rückzahlungsansprüche gegen seine Mitgesellschafter geltend, weil diese nach seiner Darlegung ohne seine Mit-wirkung ihre Gehälter erhöht hätten. Die Klage wurde letztendlich rechtskräftig abgewiesen. Jedoch führte schon seinerzeit der Senat in jenem Berufungsverfahren mit der Geschäftsnummer 10 U 4/06 (Hs) in einem Hinweisbeschluss vom 29.3.2006 (dort auf Seite 8 sowie auf Seiten 10/11) aus: "Da der Gesellschafterbeschluss vom 22.6.2001 über den Ausschluss des Klägers aus der GmbH nicht wirksam ist, ist der Kläger nach wie vor Gesellschafter der Beklagten geblieben ..." Und weiter: "Den Mitgesellschaftern dürfte eine Sorgfaltswidrigkeit i.S.d. § 43 Abs. 1 GmbHG bei der Einberufung der Gesellschafterversammlung vom 22.6.2002 [allerdings] nicht vorgeworfen werden können ... Deshalb dürften sie sich in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befunden haben, für den sie aber auch nicht einstehen müssen." Nur bis dahin folglich hätten die Mitgesellschafter ohne Verschuldensvorwurf rechtsirrig davon ausgehen können, dass der Kläger tatsächlich wirksam als Gesellschafter ausgeschlossen gewesen sei.

Ungeachtet dessen wurde der Kläger aber auch in der Folgezeit seitens seiner Mitgesellschafter nicht zu Gesellschafterversammlungen der Beklagten eingeladen oder an deren Beschlussfassungen beteiligt. Vielmehr teilten diese noch mit Sch...

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