GmbH: Beschlussfeststellungskompetenz des Versammlungsleiters

Die Kompetenz des Versammlungsleiters zur Feststellung von Gesellschafterbeschlüssen kann dem Versammlungsleiter durch Mehrheitsbeschluss zugewiesen werden. Es ist weder eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag noch ein einstimmiger Beschluss erforderlich. Mit dieser Aussage leistet das OLG Köln in seinem Urteil vom 21.7.2022 einen wichtigen Beitrag zur Klärung einer ebenso umstrittenen wie praxisrelevanten Frage.

Sachverhalt

Zwei von drei Gesellschaftern einer GmbH hatten in dem zugrunde liegenden Fall gegen die Stimme des dritten Gesellschafters (des Klägers) einen von ihnen zum Versammlungsleiter ernannt und diesem die Beschlussfeststellungskompetenz zugewiesen. Sodann wurde wiederum mit ihren Stimmen und gegen die Stimme des Klägers der Jahresabschluss 2018 abgesegnet und die Beschlussfassung von dem Mitgesellschafter-Versammlungsleiter festgestellt.

Der Kläger war der Ansicht, eine solche Feststellungskompetenz müsse zwingend auf einer Satzungsbestimmung oder aber einem einstimmigen Gesellschafterbeschluss beruhen. Dies wurde vom Landgericht Köln anders bewertet, so dass der Kläger Berufung einlegte.

Entscheidung des OLG Köln

Das Oberlandesgericht Köln wies die Berufung zurück. Nach dessen Urteil vom 21. Juli 2022 kann die Beschlussfeststellungskompetenz des Versammlungsleiters durch Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit begründet werden.

Die Kölner Richter begründeten ihre Position damit, dass die Beschlussfeststellung nur deklaratorische Wirkung hat und eine spätere Beseitigung des Beschlusses im Wege einer Anfechtungsklage nicht hindert, falls der Beschluss tatsächlich nicht oder nicht mit dem festgestellten Inhalt gefasst worden sein sollte. Die durch einfache Mehrheit verabschiedete Feststellungskompetenz weise zudem für Minderheitsgesellschafter keine wesentlichen Nachteile und Risiken auf, da auch sie durchaus Interesse an der – ggf. vorläufigen – Beschlussfeststellung haben. So sei nämlich für sie klar, dass der ihnen nicht genehme Beschluss angefochten werden müsse, weil er andernfalls in Bestandskraft erwachsen würde. Ohne eine solche Feststellung sei unsicher, ob ein Beschluss gefasst wurde, so dass Minderheitsgesellschafter gegebenenfalls ins Blaue hinein gegen nur möglicherweise gefasste Beschlüsse klagen müssten.

Das Gericht stützte seine Argumentation darüber hinaus auf die Satzung der beklagten GmbH. Danach sollte die Anfechtungsfrist für Beschlüsse zwei Monate betragen ab Absendung bzw. Übergabe der Abschrift des betreffenden Beschlusses. Dem sei zwingend zu entnehmen, dass zuvor jemand diesen Beschluss feststellen müsse. Nach Ansicht des OLG Kölns könne dies nur der Versammlungsleiter sein und nicht etwa die Gesellschafterversammlung selbst. Andernfalls müsste die Gesellschafterversammlung nach der Abstimmung über einen Beschlussantrag ein weiteres Mal abstimmen, um das erste Abstimmungsergebnis festzustellen (zumindest im Streitfall). Wird das Ergebnis dieses Feststellungsbeschlusses ebenfalls bestritten, müsste ein neuer Feststellungsbeschluss über den vorigen erfolgen usw.

Praktische Bedeutung der Beschlussfeststellung

Die kommentierte Entscheidung leistet einen wichtigen Beitrag zur Klärung einer ebenso umstrittenen wie praxisrelevanten Frage: unter welchen Voraussetzungen hat der Leiter einer GmbH-Gesellschafterversammlung die Beschlussfeststellungskompetenz inne?

Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft, bei der § 130 Abs. 2 S. 1 AktG die Feststellung der Beschlüsse durch den Vorsitzenden der Hauptversammlung verpflichtend vorschreibt, enthält das GmbHG hierzu keine Bestimmung. Umstritten ist deshalb, ob jeder Versammlungsleiter, der mit einfacher Mehrheit ernannt und mit der Beschlussfeststellungskompetenz ausgestattet wird, eine Beschlussfassung (vorläufig) verbindlich feststellen kann oder ob das nur solchen Versammlungsleitern vorbehalten ist, die diese Kompetenz von der Satzung oder einem einstimmigen ad hoc Beschluss ableiten (teilweise als "qualifizierte Versammlungsleiter" bezeichnet). Diese Frage wird bisher unterschiedlich beantwortet: Das OLG Brandenburg (Urteil vom 5.1.2017, 6 U 21/14) vertritt dieselbe Position wie das OLG Köln, während das OLG Frankfurt davon ausgeht, die Beschlussfeststellungskompetenz könne nur durch die Satzung oder einen einstimmigen Beschluss der Gesellschafter dem Versammlungsleiter zugewiesen werden (OLG Frankfurt, Beschluss v. 6.11.2008,  20 W 385/08). Eine einhellige OLG-Rechtsprechung besteht demnach zurzeit nicht, und der BGH hat sich zu dieser Frage noch nicht geäußert.

Diese rechtliche Kontroverse ist deshalb von erheblicher praktischer Bedeutung, weil festgestellte Beschlüsse Wirkung entfalten, solange und soweit sie nicht durch eine kassatorische Anfechtungsklage analog §§ 241 ff. AktG für nichtig erklärt werden. Diese Anfechtungsklage kann nur innerhalb einer angemessenen Frist von in der Regel einem Monat bemüht werden, wobei die Satzung auch eine längere Frist festlegen kann. Nach Ablauf der Frist erwächst der Beschluss endgültig in Bestandskraft.

Beschlüsse, die nicht festgestellt wurden, können dennoch rechtlich wirksam sein, wenn die materiellen und formellen Voraussetzungen erfüllt sind. Unklar ist jedoch bei Uneinigkeit zwischen den Gesellschaftern, ob und mit welchem Inhalt ein Beschluss gefasst wurde. Aufgrund dieser Ungewissheit können etwa Geschäftsführer im Streitfall keine Ausführungshandlungen in Bezug auf solche Beschlüsse vornehmen. Es läuft sodann darauf hinaus, dass derjenige der sich auf den Beschluss berufen möchte, positive Feststellungsklage und derjenige, der einen Beschluss als (so) nicht gefasst ansieht, negative Feststellungsklage erheben muss. Diese Klagen können – vorbehaltlich einer Verwirkung – zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden.

Eine Feststellung der Beschlüsse ist also vor allem dann von eminenter Bedeutung, wenn das Verhältnis der Gesellschafter untereinander angespannt ist, und zu befürchten ist, dass im Nachgang an eine Versammlung, Uneinigkeit über die gefassten Beschlüsse herrschen wird. Besteht ein solches Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern, ist nahezu ausgeschlossen, dass ein einstimmiger Beschluss über die Verleihung der Beschlussfeststellungskompetenz ergehen wird, wobei Satzungen von GmbHs in der Praxis sehr oft keine Ausführungen zu der Beschlussfeststellungskompetenz des Versammlungsleiters enthalten.

Ließe man einen Mehrheitsbeschluss für die Verleihung der Beschlussfeststellungskompetenz nicht genügen, wird also sehr regelmäßig keine Beschlussfeststellung mehr stattfinden können, wenn es hierauf am meisten ankommt.

Tragweite der Entscheidung

Es bleibt zu hoffen, dass die Auffassung des OLG Köln sich durchsetzen wird. Die Tragweite des kommentierten Urteils ist allerdings ein wenig zu relativieren. Das Gericht stützt seine Entscheidung – wie bereits erwähnt – auch auf konkrete Satzungsbestimmungen der Beklagten. Folglich ist nicht ganz auszuschließen, dass das OLG Köln die Frage anders beurteilt hätte, wenn die Satzung der Beklagten nicht den betreffenden Passus zur Anfechtungsfrist enthalten hätte. Das OLG Köln hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen in Bezug auf die hier behandelte Frage. Das Urteil des OLG Köln kann also noch vom BGH aufgehoben bzw. abgeändert werden.

Praxishinweis

Es empfiehlt sich, in den Gesellschaftsvertrag einer jeden Mehr-Personen-GmbH Regelungen über die Position des Versammlungsleiters und seine Kompetenzen aufzunehmen. Insbesondere sollte geregelt werden, wer Versammlungsleiter ist bzw. mit welcher Mehrheit der Versammlungsleiter gewählt wird und ob er zur Feststellung von Beschlüssen befugt ist (oder nicht). Eine solche Satzungsbestimmung ist nach wie vor der sicherste Weg, um die wirksame Feststellung von Beschlüssen auch dann zu gewährleisten, wenn die Gesellschafter sich über nichts mehr einigen können.

OLG Köln, Urteil v. 21.7.2022, 8 U 139/21

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