Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteil

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Berechnung des Pflichtteils eines Abkömmlings bleibt der Voraus nur dann außer Ansatz, wenn der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe geworden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 1932, 2311 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 22.01.1999; Aktenzeichen 7 O 473/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Januar 1999 verkündete Schlussurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000 DM nicht.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte ist als alleinige Erbin des am 1. Dezember 1996 verstorbenen Erblassers F. L. gemäß § 2303 Abs. 1 BGB verpflichtet, an die Klägerinnen – die Töchter des Erblassers – einen Pflichtteil in Höhe von je 22.607,66 DM zu zahlen. Dem Grunde nach ist der Pflichtteilsanspruch der Klägerinnen außer Streit. Die Einwände der Beklagten gegen die Höhe des vom Landgericht zuerkannten Anspruchs sind unbegründet. Im einzelnen gilt:

1. Der Wert des Hausrates hat nicht gemäß oder analog § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB als Voraus außer Ansatz zu bleiben.

a) Bei der Berechnung des Pflichtteils eines Abkömmlings bleibt der Voraus nur dann außer Ansatz, wenn der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe geworden ist (BGHZ 73, 29 mit zust. Anmerkung Schubert JR 1979, 245). Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB. § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB spricht von dem „dem überlebenden Ehegatten gebührenden” Voraus. Gemäß § 1932 BGB steht dem Ehegatten der Voraus jedoch nur dann zu, wenn er neben den Verwandten der ersten oder zweiten Ordnung oder neben Großeltern gesetzlicher Erbe ist.

b) Die Beklagte beruft sich demgegenüber auf die in der Kommentierung von Frank in der 3. Auflage des Münchener Kommentars geäußerten Kritik an dieser Entscheidung (§ 2311 RdNr. 28). Frank argumentiert wie folgt: Der Ehegatte, der Alleinerbe geworden ist, könne die Erbschaft nach § 1948 BGB als eingesetzter Erbe ausschlagen, als gesetzlicher Erbe jedoch annehmen. Er werde dann kraft Gesetzes Alleinerbe, weil die in der Einsetzung zum alleinigen Erben liegende Enterbung der übrigen Erben bestehen bleibe. Als gesetzlicher Erbe stehe ihm der Voraus nach § 1932 BGB zu. Dann gelte § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB. Wenn der Ehegatte es aber in jedem Fall in der Hand habe, mit Hilfe der Ausschlagung nach § 1948 BGB Alleinerbe zu werden und zugleich die Anwendbarkeit von § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB herbeizuführen, müsse man dieselbe Befugnis auch dem Erblasser zugestehen, zumal der Erblasser dieses Ziel auch erreichen könne, indem er nicht den Ehegatten (positiv) als Alleinerben einsetze, sondern (negativ) alle anderen gesetzlichen Erben enterbe.

Diese Argumentation beruht jedoch in zweierlei Hinsicht auf unrichtigen Prämissen. Die in der Einsetzung zum Alleinerben liegende Enterbung der anderen gesetzlichen Erben hat nicht zwingend Bestand, wenn der Alleinerbe die auf testamentarischer Anordnung beruhende Erbschaft ausschlägt. Wenn das Testament nur die Einsetzung zum Alleinerben, aber keinerlei Anhaltspunkte dafür enthält, dass die übrigen gesetzlichen Erben in jedem Fall enterbt werden sollen, führt die Ausschlagung zur gesetzlichen Erbfolge. Wenn der Ehegatte kraft Gesetzes Alleinerbe wird, greift § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB nicht ein, weil § 1932 BGB voraussetzt, dass der Ehegatte gesetzlicher Erbe neben anderen Verwandten wird.

2. Der PKW Ford Escort ist mit dem vom Landgericht gemäß § 287 ZPO geschätzten Verkehrswert von 18.625 DM in Ansatz zu bringen. Der Berechnung des Pflichtteils wird der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls zugrundegelegt (§ 2311 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Schätzung kann sich zwar an einem später erzielten Verkaufserlös orientieren, jedoch nur dann, wenn in der Zwischenzeit weder der fragliche Gegenstand an Wert verloren noch sich die Marktlage verändert hat. Anlass, von der Schätzung des Landgerichts abzuweichen, sieht der Senat in Anbetracht aller Umstände nicht.

3. Bei der Berechnung des Pflichtteilergänzungsanspruchs sind die auf das Konto der Beklagten gelangten 200.000 DM zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn Grundlage der Überweisung dieses Betrages auf das Konto der Beklagten eine Schenkung des Erblassers an die Beklagte gewesen sein sollte. Gemäß § 2325 Abs. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte dann, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, als Ergänzung seines Pflichtteils denjenigen Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Die Voraussetzungen des § 2330 BGB sind nicht erfüllt.

a) Die behauptete Zuwendung der 200.000 DM stellte keine Anstandsschenkung dar. Anstandsschenkungen sind z.B. kleinere Zuwendungen wie die üblichen Gelegenheitsgaben zu besonderen Tagen oder Anl...

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